Peer-to-Peer

Von Mitschülern Medien lernen

In Peer-to-Peer-Projekten erwerben Jugendliche erfolgreich Medienkompetenz. Fast Gleichaltrige als Vermittler und Gesprächspartner teilen ein ähnliches Medienverhalten und haben einen viel unmittelbareren Zugang zu den Mitschülern als erwachsene Lehrkräfte. Die wichtigsten Fragen rund um Peer-Projekte:


MedienScouts in einer Schule in Husum
MedienScouts in einer Schule in Husum, Foto: Robert Schlossnickel

Was sind Peers?

Die Gruppe der Gleichaltrigen ist für Heranwachsende besonders wichtig. Unter den „Peers“ (Gleichaltrige, Ebenbürtige, Kollegen) finden sie Orientierung und Identifikation. In der „Peergroup“ werden Erfahrungen und Wissen weitergegeben, Meinungen gebildet, soziale Verhaltensweisen eingeübt. Auch einen Großteil ihres Medien-Know-hows erhalten Kinder und Jugendliche durch ihre Freunde und den Kontakt mit Gleichaltrigen und Mitschülern. Wurden früher Magazine, Bücher, Comics oder Fußballbilder weitergereicht, gehört heute der Austausch über neue Handy-Apps, coole Youtube-Videos oder hippe Instagram-Accounts zum Alltag von Kindern und Jugendlichen.

Was sind Peer-to-Peer-Projekte?

Durch den intensiven Austausch miteinander lernen die Heranwachsenden die gerade angesagten Medien, aber auch ihre Tücken kennen. Medienkompetenz im Sinne von Handlungswissen im Umgang mit Geräten, Anwendungen und Risiken wird in der vertrauten Gruppe weitergereicht.

Hamburger MedienScouts aus den Klassen 8 bis 10 (Beispiel-Projekt) etwa vermitteln Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 4, 5 und 6, wie sie mit bestimmten Medien umgehen, ihre Daten schützen oder Software konstruktiv nutzen.

Sind Peer-Tutoren billige Lehrkräfte?

Oftmals wird vermutet, hinter Peer-Projekten stecke die Idee, Jugendliche als kostenlose Lehrkräfte einzusetzen. Dies wäre ein Mißverständnis. Denn die Vorbereitung und die Betreuung solcher Projekte ist sehr aufwendig. „Peer ist eine harte Nummer“, sagt etwa Henning Fietze, der beim Offenen Kanal Schleswig-Holstein (s. u.) selbst solche Projekte anbietet. Die Jugendlichen seien in der Pubertät und würden sich morgen vielleicht schon für etwas ganz Anderes interessieren und engagieren. Auch der Betreuungsbedarf durch Lehrkräfte oder Medienpädagogen sei hoch.

Welche Themen werden im Bereich Medienkompetenz durch Peers behandelt?

Die von den Peers „unterrichteten“ Schüler sind zwischen 9 und 12 Jahren alt. Die Inhalte der Peer-Projekte richten sich daher nach der für dieses Alter typischen Mediennutzung. Im Mittelpunkt stehen Smartphones, der Einstieg in Social-Media-Angebote wie Facebook, WhatsApp oder Instagram, oder das Thema Computerspiele. Datenschutz, der verantwortungsvolle Umgang mit Fotos oder Cybermobbing sind hierbei wichtige Themen. Durch ihren Peer-Status haben die Aussagen und Meinungen der älteren Schüler besondere Bedeutung und hohe Authentizität für die Adressaten.

Wie kann man Peer-Projekte in Hamburg starten?

In Hamburg werden die MedienScout-Ausbildungen seit 2011 durch das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) koordiniert. Interessierte Schulen können sich direkt an das LI wenden. Pro Jahr werden zwölf Hamburger Schulen aufgenommen. „Bis jetzt gab es immer Platz für alle Bewerber“, sagt Helge Tiedemann, beim LI verantwortlich für die die Weiterbildung der Lehrkräfte. Derzeit (2016) gibt es in Hamburg 39 Schulen mit MedienScout-Projekten, davon 19 Stadtteilschulen und 20 Gymnasien.

Zum Herbst 2016 werden wieder neue Schulen gesucht, die MedienScout-Schulen werden wollen. Dabei gilt: Wer sich frühzeitig meldet, erhöht seine Chancen auf einen Platz. Die teilnehmenden Schulen sichern vor Beginn schriftlich zu, sich mit 300 Euro am Ausbildungswochenende der Schüler zu beteiligen sowie den zwei begleitenden Lehrkräften eine zeitliche Entlastung für ihre Tätigkeit anzurechnen. Außerdem soll die Teilnahme an allen Ausbildungsterminen gewährleistet werden. Die Ausbildung der Begleitlehrkäfte ist für die Schulen kostenlos.

Sie findet vor dem Start der eigentlichen Maßnahme statt, da im Rahmen der modularen Fortbildung auch auf Implementierung, Auswahl und Zusammensetzung der MedienScout-Gruppe eingegangen wird.

Das Programm MedienScouts Hamburg wird gemeinsam vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg (LI), dem JugendInformationsZentrum (JIZ) und dem Hamburger Bürger- und Ausbildungskanal TIDE organisiert und durch die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) und die Hamburg School of Business Administration (HSBA) gefördert.

TIDE leistet die Ausbildung der Schüler zu MedienScouts.

Wie kann man Peer-Projekte in Schleswig-Holstein starten?

Schulen in Schleswig-Holstein haben bislang keine zentrale Anlaufstelle für Peer-Projekte im Bereich Medienkompetenzvermittlung. Sie können sich jedoch direkt an Anbieter wenden, die eine solche Ausbildung oder Projektbegleitung anbieten. So gibt es beim Offenen Kanal Schleswig-Holstein (OKSH) die Ausbildung von Schülermedienlotsen. „Unser Ansatz orientiert sich an Medienproduktion. Wir fördern Medienkompetenz durch aktive Medienarbeit“, erläutert der OKSH-Verantwortliche Henning Fietze. Der Offene Kanal verleiht zum Beispiel eine Radiokiste an Schulen, damit die Schüler dort Radioprogramme produzieren können. Der Kostenaufwand für die Ausbildung entspricht in etwa der Größenordnung wie in Hamburg.

Weitere Anbieter von Peer-Projekten sind die Jugendakademie in Bad Segeberg sowie das MedienScout-Projekt in Dithmarschen (Ansprechpartner: Gerd Manzke). Die Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein e.V. (AKJS) bietet Multiplikatoren-Fortbildungen zu Handy-Scouts und anderen Peer-Projekten für pädagogische Fachkräfte an. Sie vermittelt Honorarkräfte zur Unterstützung von Handy-Scouts-Projekten und anderen Peer-Projekten im Bereich Medienkompetenz. Auf Nachfrage können für Institutionen auch individuelle Peer-Projekte entwickelt werden.

Wie werden Peer-Projekte erfolgreich?

Peer-Projekte müssen organisiert, gestaltet und dann vor allem auch nachhaltig betreut und betrieben werden. Dies setzt engagierte Lehrkräfte oder Medienpädagogen voraus, die die Verantwortung dafür übernehmen. „Die Erfolgsaussichten sind immer dann groß, wenn das Projekt auch in der Breite des Kollegiums verankert ist“, fügt Helge Tiedemann vom Hamburger LI hinzu. Die MedienScouts sollten allen Lehrern bekannt sein. Welche Ansätze bei Peer-Projekten besonders erfolgreich sind, hat auch der Schweizer Wissenschaftler Prof. Dr. Olivier Steiner untersucht. Lesen Sie seine Einschätzung über Peer-to-Peer-Projekte.


Ansprechpartner für Peer-Projekte:

Porträt von Helge Tiedemann
Helge Tiedemann

Helge Tiedemann ist seit 2015 als Lehrerfortbilder am Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI Hamburg) im Referat Medienpädagogik tätig. Er ist dort zuständig für Medienbildung und Jugendmedienschutz in der Sekundarstufe I. Schwerpunkte der Arbeit sind die MedienScouts Hamburg sowie Fortbildungen und Beratungen zum Hamburger Medienpass. Helge Tiedemann ist zudem Lehrer an einer Hamburger Stadtteilschule und dort verantwortlich für die Betreuung der MedienScouts sowie Ansprechpartner für den Bereich Medien/IT.

Porträt von Henning Fietze
Henning Fietze | Foto: R. Schlossnickel

Henning Fietze ist Medienkompetenzexperte beim Offenen Kanal Schleswig-Holstein in Kiel. Der Medienpädagoge hat das Projekt „GameTreff“ entwickelt, leitet die Ausbildung der „ElternMedienLotsen“ und ist Kolumnist („Fietzes Netzwelt“) in den s.hz-Zeitungen.


Das könnte Sie auch interessieren: