Smartphones an Schulen!?

Fünf Fragen an Karin Prien, Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein

Ministerin Karin Prien

Wie ist die Nutzung elektronischer Medien an den Schulen in Schleswig-Holstein geregelt?

In unserem Schulgesetz ist ein generelles Verbot elektronischer Medien nicht vorgesehen. Die weiterführenden Schulen entscheiden eigenverantwortlich, wie mit Mobiltelefonen umgegangen wird. In den Schulkonferenzen, in denen auch Eltern und Schülerschaft vertreten sind, werden die Regeln besprochen und dann in der Schulordnung festgeschrieben. Ein generelles Verbot ist rechtlich weder möglich noch sinnvoll.

Handy-Nutzungsverbote können jedoch beschlossen werden. Zum Beispiel kann verabredet werden, dass Handys nur bei besonderen Anlässen wie Verletzungen oder Änderungen im Zeitplan benutzt werden dürfen. Das praktizieren immer mehr Schulen. Unsere Grundschulen, denen wir dieses im Wege eines Erlasses vorgegeben haben, gehen nun grundsätzlich so vor.

Sie sprechen von Schulen als „Schutzräumen“ für Schüler*innen. Eine sinnvolle und wirksame Form, Schutz zu gewährleisten, wäre aus unserer scout-Sicht auch eine verbindliche Medienkompetenz-Vermittlung schon ab der 1. Klasse (zum Beispiel per Internet-ABC). Wie stehen Sie dazu?

Wissenschaftliche Untersuchungen sehen in einer übermäßigen Handynutzung eine wesentliche Ursache für Konzentrationsdefizite, und auch die kognitive und motorische Entwicklung wird hierdurch nachweislich beeinträchtigt. Deshalb sollen unsere Schulen ein Schutzraum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sein, in dem sie sich ohne Ablenkung durch private Mediennutzung auf das Lernen, die Zusammenarbeit und das gemeinsame Miteinander konzentrieren und ungestört einlassen können.

Andererseits gehören digitale Endgeräte längst zur schulischen Realität. Sowohl ihre kompetente Nutzung als auch das Verstehen der technischen und gesellschaftlichen Grundlagen der Digitalisierung gehören unzweifelhaft zu den Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler in ihrer Schulzeit erwerben sollen. Aber die gezielte Nutzung und pädagogisch angeleitete Auseinandersetzung mit digitalen Medien ist nicht zu verwechseln mit ungesteuerter privater Nutzung und andauernder Ablenkung der Schülerinnen und Schüler während der Unterrichts- und Schulzeit.

Wäre es aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg, wenn weiterführende Schulen älteren Schüler*innen konkrete, eingeschränkte Möglichkeiten der Nutzung zugänglich machen, zum Beispiel einzelne Pausen oder auch Räume für die Smartphone-Nutzung freigeben würden, möglicherweise ab der 7. Klasse?

Um es noch einmal deutlich zu sagen – wir verbannen die digitalen Medien nicht aus unseren Schulen. Selbstverständlich erfolgt Lernen im modernen Unterricht mit Unterstützung digitaler Systeme. Wir haben unseren Schulen für alle Fächer ein Lernmanagementsystem zur Verfügung gestellt. Wir stellen ihnen regionale Fachberater für die Digitalisierung an die Seite. Wir setzen gezielt digitale Medien ein, um die basalen Kompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler zu stärken, zum Beispiel mit der App Buddy Bo.

Es muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen digitaler und analoger Kommunikation bestehen. Und dabei sind altersangemessene Regeln für die Beschränkung der privaten Nutzung von Smartphones in Schulen sinnvoll.

Karin Prien

Auch bei der Mediennutzung sind Eltern „erste Instanz“ und Vorbilder für ihre Kinder. Ihnen kommt also eine wichtige Rolle bei der Medienerziehung zu und sie sollten mit der Schule an einem Strang ziehen. Wie können sie aus Ihrer Sicht (zukünftig) von der Bildungspolitik bzw. den Schulen in dieser Rolle (noch weiter) gestärkt werden?

Ohne Eltern geht es nicht, denn das Elternhaus ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die persönliche Entwicklung sowie die Lebens- und Bildungschancen unserer Kinder. Wir müssen uns wieder stärker der Rolle und Bedeutung von elterlicher Erziehung für Kinder bewusstwerden und diese besser unterstützen. Und das gilt natürlich auch für die Nutzung digitaler Medien, denn hier ist die Vorbildfunktion von Eltern besonders wichtig. Und Eltern brauchen auch selbst gute Medienkompetenz, um ihre Kinder schützen zu können. Da gibt es schon viele Angebote, die man aber noch besser vernetzen muss. Das ist aber nicht nur eine Aufgabe von Schule, sondern auch der Zivilgesellschaft und auch der Landesmedienanstalten.

Aus unserer scout-Sicht sind Medienpeer-Projekte – wie zum Beispiel die SchülerMedienLotsen des Offenen Kanals SH – ebenfalls eine sinnvolle und wirksame Ergänzung der schulischen und elterlichen Bestrebungen. Es gibt in Schleswig-Holstein verschiedene Initiativen dieser Art, die auch gerade neu vernetzt werden. Leider kommen diese nach unserer Kenntnis aber nur an einem kleinen Teil der Schulen zum Einsatz. Gibt es Pläne, die Projekte stärker zu unterstützen und vielleicht sogar „verbindlich“ zu gestalten?

Solche Projekte sind in der Tat eine gute Ergänzung, und das IQSH arbeitet bereits mit unterschiedlichen Partnern erfolgreich zusammen. Ein Beispiel dafür ist „Internet-ABC-Schule“, ein Projekt der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) in Kooperation mit dem IQSH, in dessen Rahmen Schulen die Medienkompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler gezielt fördern können. Zurzeit werden 80 Schulen aus ganz Schleswig-Holstein im Rahmen des Zertifikatskurses über zwei Jahre auf dem Weg zur „Internet-ABC-Schule“ begleitet.

Die Vermittlung von Medienkompetenz ist bereits seit 2019 in unseren Fachanforderungen verankert. Im Jahr 2021 hat die Landesregierung das Programm „Zukunft Schule im digitalen Zeitalter“ aufgesetzt zur Verbesserung der digitalen Kompetenzen von Lehrkräften. Dafür haben wir insgesamt 250 zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt. So haben wir zum Beispiel Schulen Ressourcen zur Verfügung gestellt, damit sie fachmethodisch und fachdidaktisch angemessene Digitalisierung ihres Fachunterrichts vornehmen können.

Als weiteres wichtiges Vorhaben ist mit Hilfe dieses Programms eine große Weiterbildungsoffensive im Fach Informatik realisiert worden. Dadurch konnten in den vergangenen gut drei Jahren insgesamt knapp 200 Lehrkräfte zu Informatiklehrerinnen und -lehrern qualifiziert wurden. Alle unsere Lehrkräfte sollen dazu befähigt werden, die Funktionsweisen und grundlegenden Prinzipien digitaler Technologien zu verstehen.