Medienkompetenz

Mit Trippelschritten voraus

Was geht ab an Hamburgs Schulen in Sachen Medienkompetenz? Der Medienpädagoge Professor Rudolf Kammerl meint: nicht besonders viel …


Illustration eines Sandwiches belegt mit einem Smartphone
Illustration: Norbert Bayer

In der ersten Printausgabe von scout (1_2011) spürte der Artikel „Wunsch versus Wirklichkeit“ der Medienkompetenz-Situation an Hamburger Schulen nach. Die „Papierlage“ sah eigentlich ganz gut aus – die Wirklichkeit war weitaus weniger positiv, wie schon der damalige Vorspann andeutete: „Medienbildung sollte für die Schulen der Hansestadt verbindlich sein. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt nur einen Flickenteppich von Aktivitäten. Es bleibt dem Engagement einzelner Lehrer überlassen, ob Schüler diese zentrale Kulturtechnik auch im Unterricht erlernen.“

Einer aus der Riege der Kritiker war vor drei Jahren der Hamburger Medienpädagogik-Professor Rudolf Kammerl. Seine „Expertise zum Stellenwert der Medienkompetenzförderung in Schulen“ zeichnete ein düsteres Bild: Medienkompetenz war zwar „verbindlich“ im Lehrplan verankert, was aber tatsächlich behandelt wurde und in welcher Qualität, sei nicht überprüft worden. Lernstandserhebungen zum Thema fanden zum Beispiel nicht statt. Wer als Lehrer die fixierten Bildungsziele nicht umsetzte, dem drohten auch keine Konsequenzen. Das vorbildliche Engagement einzelner Lehrer und Schulen reiche nicht aus, um in der Breite Medienkompetenz zu vermitteln, so Kammerl im Jahr 2011.

scout fragt nun noch einmal bei Professor Kammerl nach, was sich in der Zwischenzeit an Hamburger Schulen getan hat.

scout: In Ihrer „Expertise zum Stellenwert der Medienkompetenzförderung in Schulen“ haben Sie vor drei Jahren die Situation in Hamburg sehr kritisch unter die Lupe genommen. Was waren damals die größten Kritikpunkte?

Kammerl: Ich hatte moniert, dass in der digitalen Gesellschaft, in der wir heute leben, Medienkompetenzförderung an den Hamburger Schulen einen noch zu geringen Stellenwert hat. Zentrale Kritikpunkte waren: Nur ein Teil der Schülerinnen und Schüler wird überhaupt erreicht. Die Qualität der Maßnahmen ist nicht gesichert, deren Erfolg wird nicht geprüft. Insbesondere Schülerinnen und Schüler, die keine medienkompetenten Eltern zu Hause haben, bleiben so den Risiken ausgesetzt und können die Potenziale der digitalen Medien nicht nutzen.

scout: Hat sich Ihrer Meinung nach etwas in den vergangenen Jahren zum Besseren verändert? Wenn ja, was genau?

Kammerl: In den vergangenen zwei, drei Jahren gab es eine Reihe interessanter Entwicklungen. Bundesweite Aufmerksamkeit haben zum Beispiel die Empfehlungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Internet und digitale Gesellschaft“ und der KMK-Beschluss „Medienbildung in der Schule“ unter Hamburger Vorsitz bekommen. In Hamburg selbst wurde ein Rahmenkonzept zur Medienkompetenzförderung entwickelt. Es muss sich aber noch herausstellen, ob hier nur die „Papierlage“ gut ist oder sich auch etwas in der Wirklichkeit an den Schulen ändert – und auch bei der Lehrerbildung entwickelt. Immerhin ist es mit diesen beiden genannten Initiativen gelungen, zumindest einige relevante Themen auf die Tagesordnung zu bringen. Auch der Hamburger Medienpass könnte Lehrkräfte ermutigen, diese in der Schule auch aufzugreifen.

scout: Was hat sich nicht geändert, was sich vielleicht sogar verschlimmert?

Kammerl: Verbreitung, Qualität und Erfolg der Maßnahmen an Schulen bleiben in Hamburg weiter im Dunkeln. Ausgehend von aktuellen Studien aus anderen Bundesländern wissen wir, dass es eher kleine Trippelschritte sind, mit denen hier vorangegangen wird. Mit der Dynamik der Fortentwicklung unserer Mediengesellschaft kann so nicht Schritt gehalten werden. In Hamburg hatte bislang wenigstens der Informatikunterricht regelmäßig Inhalte zur Medienkompetenz zum Thema, wie zum Beispiel Datenschutz. Doch nun wird die Informatik aus dem Kanon der naturwissenschaftlichen Pflichtfächer herausgenommen und wieder in den Wahlpflichtbereich zurückgestuft. Das ist meines Erachtens ein Schritt in die falsche Richtung.

scout: Das klingt alles nicht sehr rosig.

Kammerl: Das stimmt. Und auch um die medienpädagogische Lehre und Forschung in Hamburg steht es heute unterm Strich noch schlechter als vor drei Jahren: Hier wurden sogar noch Kapazitäten abgebaut! Damit werden wohl zukünftig noch weniger angehende Lehrkräfte während ihres Studiums qualifiziert, die Medienkompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler zu fördern.

scout: Was machen andere Bundesländer besser?

Kammerl: Sieht man sich andere Bundesländer an, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, so erhält man den Eindruck, dass mit viel mehr Elan und mehr Mitteln an die Stärkung der Medienbildung herangegangen wird. An einigen Lehrerbildungsstandorten – zum Beispiel in Flensburg – ist es auch gelungen, medienpädagogische Pflichtmodule in die Lehrerausbildung zu integrieren.

scout: Was sollte in Hamburg unbedingt kurz- und mittelfristig getan werden, um die Situation nachhaltig zu verbessern?

Kammerl: Politik hat heute ein großes Glaubwürdigkeitsproblem. Das spiegelt sich auch in der Medienbildungspolitik wider. Deshalb würde ich persönlich mich freuen, wenn mehr Taten den vielen vorliegenden Papieren folgen würden. Wenn etwa im schulischen Bereich das umgesetzt werden würde, was 2012 unter Hamburgischem Vorsitz in der KMK beschlossen worden war, wäre vieles erreicht. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass das ernsthaft versucht wird.