Medienkompetenztag Hamburg 2016

Medienbildung in der Grundschule

Der Hamburger Medienkompetenztag 2016, veranstaltet von der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) und dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI), widmete sich am 16. September der Medienbildung in Grundschulen. Diskussionen und zahlreiche Workshops zeigten: Es gibt viele spannende Möglichkeiten, Medienkompetenz bei Grundschülern zu fördern, doch es geschieht noch zu selten. Dabei ist der Bedarf groß.


Vertreter der neuen Internet-ABC-Schulen mit Moderatorin Susanne Stichlerund Nova Meierhenrich
Vertreter der neuen Internet-ABC-Schulen mit Moderatorin Susanne Stichler (l.) und Nova Meierhenrich (r.)
Übergabe des Zertifikats „Internet-ABC-Schule“
Übergabe des Zertifikats „Internet-ABC-Schule“ an die Hamburger Brecht-Schule beim Internet-ABC-Tag. Mit dabei (v.l.): Nina Soppa von der MA HSH, Nova Meierhenrich, Schulleiterin Anja Messerschmidt, Lehrerin Kanela Waldhauer und Thomas Fuchs, Direktor der MA HSH

Zehn neue Hamburger Grundschulen können sich ab jetzt offiziell „Internet-ABC-Schule“ nennen, ein von der MA HSH initiiertes Bildungsprojekt. Im Rahmen des Medienkompetenztags Hamburg 2016 im LI Hamburg erhielten die Schulen aus der Hand der Schauspielerin und Moderatorin Nova Meierhenrich die entsprechenden Urkunden.

Ein Jahr lang hatten sich Lehrkräfte der zehn Schulen am LI Hamburg qualifiziert, um die Anforderungen für dieses vorbildliche Hamburger Pilotprojekt zu erfüllen. Damit sind jetzt in der Hansestadt knapp 30 Grundschulen als Internet-ABC-Schulen zertifiziert. Für die Grundschüler bedeutet das, dass sie in der 3. und 4. Klasse in vier Lerneinheiten spielerisch und kindgerecht den sicheren Umgang mit dem Internet lernen.

„Die Zahlen findet kein Medienpädagoge gut“

Wie die 150 Lehrkräfte, Medienpädagogen und Experten, die zum Medienkompetenztag 2016 gekommen waren, beim Eröffnungsvortrag von Prof. Rudolf Kammerl von der Universität Hamburg erfahren konnten, ist dies auch höchst notwendig. Denn, so Kammerl, bereits die Grundschulzeit ist durch Medien massiv geprägt. Hier findet der Einstieg in die digitale Welt statt. Aktuelle Statistiken zeigen: Computer, Spielekonsolen, Handys und Smartphones – für Grundschüler sind diese Geräte Alltag. „Diese Zahlen findet keiner von uns Medienpädagogen gut“, gestand Kammerl. Aber die Grundschulen müssten sich damit mehr auseinandersetzen. Denn in den Familien würde zu wenig die negativen Seiten des Medienkonsums besprochen. Aufklärung über Gefahren fände nicht statt. „Medienkindheit ist deshalb gefährdete Kindheit“, so Kammerl.

Prof. Rudolf Kammerl spricht zum Thema „Digitalisierung und/oder Medienbildung in Grundschulen?
Prof. Rudolf Kammerl spricht zum Thema „Digitalisierung und/oder Medienbildung in Grundschulen? Stand und Perspektiven in Praxis und Forschung“

„Schüler sollten keine Datenquelle sein“

Professor Kammerl führte weiter aus, dass es in Bezug auf die Medienbildung zwar ein hohes Problembewusstsein unter Lehrkräften gebe, aber im Unterricht nur sehr wenige wirklich aktiv würden. Eine Paradoxie, die vor dem Hintergrund verständlich würde, dass Deutschland bei der Digitalisierung der Schule weit abgeschlagen sei. Dies beträfe alle Dimensionen der Digitalisierung, also das Lernen mit Medien, das Lernen über Medien und die Digitalisierung der schulischen Organisationsstruktur. Eine Absage erteilte Kammerl jedoch Unterrichtsmodellen, die sich auf die Quantifizierung von Leistung ausrichten würden. Schüler sollten keine Datenquellen sein.

Podiumsdiskussion mit Publikum
Podiumsdiskussion mit Prof. Rudolf Kammerl, Andrea Sievers, Radiofüchse, Susanne Stichler, Michaela Knoke, Kreiselternrat 52, Matthias Sannmann, Grundschule Mümmelmannsberg und Jörg Behnken, Schulleiter Schule Traberweg (v.l.n.r.)
Zwei Frauen im Gespräch
Andrea Sievers (l.) moniert Mittelkürzungen

„Entwicklung nicht vorangegangen“

Dass Betroffene, Fachleute und Lehrkräfte unzufrieden sind mit der Medienbildung an Grundschulen, ließ sich aus der anschließenden Diskussionsrunde heraushören. „Unsere Ausstattung ist gut, aber irgendwie ist die Entwicklung nicht vorangegangen. Es fehlt in Hamburg der politische Wille, das Thema Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen wirklich wichtig zu nehmen“, formulierte Jörg Behnken, Schulleiter der Schule Traberweg, seinen Unmut. Auch viele Schulleiter würden der Medien-Realität nicht Rechnung tragen, kritisierte Michaela Knoke vom Kreiselternrat 52. Stattdessen würden pauschale Handyverbote ausgesprochen, was jedoch kein Problem lösen würde. Matthias Sannmann, Grundschullehrer in Mümmelmannsberg und LI-Referent für die Internet-ABC-Schulen berichtete, viele Eltern würden Hilfe von der Schule erwarten. Schule müsse da mehr tun, auch wenn die technische Ausstattung nicht überall gut sei. „Kinder glauben auf Facebook jeden Blödsinn. Darüber kann man immer reden, auch ohne PC“, so der Pädagoge. Viel Applaus bekam schließlich Andrea Sievers von den Radiofüchsen, die die Einrichtung eines Hamburger „Medienzentrums“ forderte, das den Schulen beispielsweise Experten für den sich ständig ändernden Technik- und Medienbereich stellen könnte. Sie kritisierte zugleich die mangelnde Finanzierung der Medienkompetenz in Hamburg. Durch die angedachte Streichung der MA HSH-Mittel würden wichtige Projekte kaputt gehen.

Zwei Hände halten eine Digitalkamera
Workshop Digitale Fotografie in der Grundschule

Außergewöhnliche Ideen in zehn Workshops und einer Zukunftswerkstatt

Wie kann Medienbildung an Grundschulen konkret besser werden? Insgesamt elf Workshops zu unterschiedlichsten Themen boten den Teilnehmern des Medienkompetenztages reichlich Beispiele. So zeigten die beiden Kunstlehrerinnen Stefanie Hahne und Christina Kleinow, wie sie mit Hilfe kleiner digitaler Kompaktkameras Unterrichtseinheiten zum Thema Fotografie gestalten. „Die Kinder erleben auf Smartphones ein so gewaltiges Bilderrauschen, dass sie das einzelne Bild gar nicht mehr wahrnehmen können“, erläuterte Christina Kleinow. Durch die Arbeit mit der Kamera ließe sich hier ein Kontrapunkt setzen, durch das bewusste Gestalten eines Fotos ein kurzes Innehalten im Strom visueller Reize von Facebook, WhatsApp und Instagram.

Powerpoint-Präsentationen, die nicht von den Eltern gemacht werden müssen

Alexander Pfeifle präsentierte seine Erfahrungen mit Präsentationstechniken in der Grundschule. Powerpoint in der Grundschule? Ja, unbedingt, so der Tenor der Workshop-Teilnehmer. In den weiterführenden Schulen würde das vorausgesetzt, mit dem typischen Effekt, dass die Eltern ihren Kindern die PP-Präsentation basteln müssten, weil die es nicht könnten. Stattdessen zeigte Alexander Pfeifle leichte Übungen, die spielerisch in die Präsentationsprogramme einführen. Mit dem Online-Tool Prezi zeigte er zudem eine Alternative, die Kinder rasch verstehen.

Workshop-Situation: Zwei Frauen am Laptop, ein Mann unterhält sich mit ihnen
Powerpoint-Workshop mit Alexander Pfeifle

Werbung durchschauen und ihre Mechanismen verstehen

Isabell Angelberger zeigte, wie sich Grundschüler für das Thema Werbung sensibilisieren lassen. Highlight der gezeigten Materialien: Ein PC-Spiel, mit dem Schüler spielerisch ein Produkt, eine Marketingstrategie und eine dazu passende Werbung entwerfen können. Klingt ungewöhnlich, fand bei den Testern im Workshop aber große Anerkennung.

Wie schnell und einfach man Medienarbeit mit Kindern leisten kann, wurde am Ende des Medienkompetenztags durch einen kleinen Videobeitrag demonstriert. Mit Mikrofon und Kamera ausgerüstet, befragten Kinderreporter der 3. und 4. Klasse der Theodor Haubach Schule aus Altona während der Veranstaltung anwesende Referendare, Lehrer und Schulleiter zur ihrem eigenen Mediennutzungsverhalten und den Umgang mit Medien an ihrer Schule. Die Antworten auf Fragen wie „Welche Kindersuchmaschinen kennen Sie?“ oder „Welche Lernprogramme nutzen Sie im Unterricht?“ zeigte, Medienbildung an Grundschulen ist ein Thema – steckt aber noch in den Kinderschuhen.


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