Wie sag ich's meinem Kind?

Tatort Nachmittagsfernsehen: Beim Werbespot des Webshops für Sextoys eis.de „rappelt es im Karton". Poppige Musik mit Ohrwurmgarantie, bunte Farben. Frauen in knapper Kleidung zerschlagen Früchte-Pinatas, aus denen Sextoys purzeln. Die Zielgruppe: junge Frauen. Am nächsten Tag singen Kinder den eingängigen Werbesong auf dem Schulhof nach. Da fragen sich manche Eltern: Muss dass wirklich sein, nachmittags? Verboten ist es jedenfalls nicht. In Internetforen und Elternkreisen von Kitas und Grundschulen wurde der Spot eifrig diskutiert. Eine gefühlte Mehrheit fand ihn total unpassend. Und häufig schwang ein gewisses Unbehagen mit, nach dem Motto: ,,Bin ich eigentlich spießig, wenn ich mich darüber aufrege?"

Die Diskussion mündet nicht selten in weiteres Grübeln um die Aufklärung des Nachwuchses:

Werden unsere Kinder zu früh mit sexualisierten Medienbildern bombardiert?

Muss man sie (deshalb) eigentlich früher und „besser" aufklären, damit sie damit angemessen umgehen können?

Was ist überhaupt „angemessen"?

Aufklärung scheint nicht gerade das Erziehungs-Lieblingsthema vieler Eltern zu sein. Wenn's irgendwann konkret wird -wenn der fünfjährige Sohn auf einer Busfahrt wissen will, wie die zukünftige Schwester in den Bauch der Mutter kam, fragt man sich bange: ,,Wie sag ich's meinem Kind?"

Insbesondere im Internet stoßen Kinder ab dem Grundschulalter - häufig auf dem Smartphone auf verstörende Inhalte. Laut aktueller KIM-Studie 2020 geben sieben Prozent der Sechs bis 13-Jährigen an, im Internet schon mal auf Inhalte gestoßen zu sein, die nicht kindgerecht oder unangenehm waren. Die Kinder nennen an erster Stelle: Pornografie.

Das Internet hat aber noch mehr neue Probleme rund um das Thema Sex erzeugt: „Cybergrooming" zum Beispiel. die Kontaktaufnahme durch Pädophile in Chats. Bedenklich sind auch stereotype oder sexualisierte Männer- und Frauenbilder in sozialen Medien oder auf Videoportalen wie Instagram und TikTok: Jungs posieren mit ihren Muskeln, Mädchen schürzen im Selfie die halbgeöffneten Lippen. Daneben gibt es aber auch die „guten Seiten": Chat-Räume, in denen sich sexuelle Minoritäten Solidarität und Verständnis spenden. Oder gute Aufklärungs-Kanäle auf YouTube, zugänglich auch für Jugendliche, die in konservativeren Elternhäusern leben. Und aufTwitter und Instagram trenden jahrzehntelang brachliegende Tabu-Themen wie „Perioden-Shaming".

Viele Jugendliche halten sich heute für umfassend informiert. Aber sind sie es wirklich? Der schulischen Sexualerziehung ergeht es überwi egend wie der schulischen Medienerziehung. Es ist nach wie vor Glückssache, wer mit den gewü nschten Inhalten beglückt wird, auch wenn die Bildungspläne im strengen Ton mehr verlangen.

Aufklärung ist heute viel mehr, als die biologischen „Facts of Life" zu erklären -also die Sache mit Penis und Scheide. Früher ging es bei der Aufklärung im Kern darum, Teenager-Schwangerschaften zu verhindern. Später auch um die An steckung mit AIDS. Heute sind den Sexualpädagog*innen auch Rollenbilder wichtig, die sexuelle Selbstbestimmung („Nein" sagen lernen, schon in der Kita), Toleranz für Homosexualität, für An dersartigkeit, für alternative Familienmodelle - und vieles, vieles mehr. Expert*innen sind sich einig: Aufklärung ist nicht das eine, möglichst gelungene Gespräch über Sex, sondern ein andauernder Dialog, der schon im Kleinkind alter beginnt.

Das schöne an der Aufklärung ist ja: Egal, ob die Eltern Bock darauf haben - die Kinder werden sowieso nachfragen. Und das umso mehr, je ehrlicher (und entspannter) Eltern antworten. Die können sich heute aus einem Füllhorn voller Informationen auf den Ernstfall vorbereiten: Es gibt eine Vielzahl toller Seiten mit Tipps und auch viel Unterstützung im Netz (siehe Service auf Seite 19). Und selbst Erwachsene können dabei noch so viel lernen.