scout-Zwischenbilanz

Digital – das neue „normal“?

Lernen mit ANTON und Padlet, die Sportstunde auf YouTube, Socializing über WhatsApp und der Elternabend via Zoom – die Corona-Pandemie hat zu einer stärkeren Digitalisierung des Privat- und Schullebens beigetragen. Ist digital jetzt das neue „normal“?

Dies hat scout auf einer Veranstaltung des LI – Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg am 25. November 2020 mit Elternvertretungen und interessierten Erziehungsberechtigten diskutiert. Natürlich digital.

Ohne Vorwarnung und daher besonders anstrengend

Eiskalt erwischt hatte es uns alle im März dieses Jahres – als die erste Corona-bedingte Lockdown-Phase ausgerufen wurde und über Wochen hinweg Schulen schließen mussten. Darauf war wohl niemand vorbereitet – weder Schüler*innen noch Eltern oder Schulen.

Nicht verwunderlich, dass diese Phase von allen als anstrengend und herausfordernd wahrgenommen wurde. Dies wurde nicht nur von den an der Veranstaltung teilnehmenden Eltern bestätigt, sondern auch durch die Befragung „Lernen in Zukunft“ der Hamburger Schulbehörde gestützt.

Digitaler Unterricht bedarf auch digitaler Geräte

Für viele Eltern hieß es: Die Kinder betreuen, sie beim Homeschooling unterstützen und gleichzeitig auch noch dem eigenen Job nachgehen. Gar nicht so einfach und mit vielen Hürden verbunden, auch für die Schüler*innen. So gaben beispielsweise Anfang April dieses Jahres 26 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen bei der bundesweiten JIMplus Corona 2020 Zusatzuntersuchung an, sich einen Computer beziehungsweise einen Laptop mit einem anderen Familienmitglied teilen zu müssen.

Glücklicherweise konnten diese Schüler*innen über die nächsten Wochen und Monate Unterstützung finden und es wurde seitens der Schule mit „Leihgeräten“ ausgeholfen – wie viele Eltern mitteilten.

Analog oder digital: Unterricht braucht Kommunikation, Konzept und Strategie

Eine weitere Herausforderung lag darin, aus den vielen unterschiedlichen digitalen Angeboten zum „Austeilen“ von Hausaufgaben, zum Austausch untereinander oder zum Lernen die geeigneten auszuwählen. Von E-Mails über Videokonferenzen bis hin zu Lernplattformen war alles im Einsatz. Ebenso unterschiedlich waren auch die Erfahrungen, die Eltern machten: Während einige eine fehlende Kommunikation seitens der Schule bemängelten - etwa ausbleibendes Feedback darüber, wie ihr Kind den Digitalunterricht meistert - berichteten andere lobend, dass Lehrkräfte sich viel Zeit für Einzelgespräche mit den Eltern nahmen.

Was vielen Eltern fehlte, war eine klar erkennbare „Digital-Strategie“ der Schule. Hier besteht noch „Luft nach oben“. Da Distanzunterricht und Digitalisierung aktuell auch weiterhin „auf dem Stundenplan“ stehen, wünschen sich Eltern, dass Schulen weiter an ihren „Digital-Konzepten“ arbeiten und nicht länger abwarten.

Eine Pressemitteilung der Hamburger Schulbehörde stimmt zumindest optimistisch, dass dieser Wunsch auch Wirklichkeit werden könnte: Danach arbeiten derzeit bereits einhundert der 338 allgemeinbildenden staatlichen Schulen in Hamburg mit dem seit den Sommerferien 2020 eingeführten Lernmanagementsystem „Lernen Hamburg“. Damit scheint eine an allen Schulen einsetzbare Lernplattform gefunden zu sein. Ob diese perspektivisch auch von allen Schulen genutzt wird, wird sich zeigen.

Digitales kann Soziales nicht ersetzen

Was alle Eltern bestätigten, vor allem die von Grundschulkindern: Mit digitalen Geräten, Lernplattformen und Co. lässt sich zwar Unterricht gestalten, aber zum „Trainieren“ des sozialen Miteinanders braucht es eben doch den realen Kontakt. Kein digitales Tool ist annähernd so viel wert wie das gemeinsame Singen, Spielen und Toben. Insbesondere beim Start ins Schulleben, in der ersten Klasse, ist vielen Eltern deutlich bewusst geworden, wie sehr ihre Kinder so etwas brauchen. Denn nur über das gemeinsame Erleben und Austauschen kann auch eine Klassengemeinschaft gebildet und gestärkt werden.

Gleiche Chance für alle? Schön wär‘s!

Dass nicht alle Kinder die gleichen Voraussetzungen zum Lernen zu Hause hatten und haben, zeigte sich nicht nur in der Ausstattung mit Geräten, sondern auch in der Gestaltung der Lernumgebung. Ein fehlender ruhiger Raum zum Lernen wurde von 12 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen als eine große Hürde beim Homeschooling genannt, nach mangelnder Motivation (59 Prozent) und der Schwierigkeit, sich einen Überblick über die verschiedenen Lernplattformen zu verschaffen (36 Prozent) - vgl. Erste Ergebnisse der JIM-Studie 2020. So hat die Corona-Pandemie die Missstände im Bildungssystem noch einmal deutlich gemacht: Gleiche Chancen für alle – das gilt noch lange nicht! Hierauf muss weiterhin ein besonderes Augenmerk gelegt werden.

Medienzeiten im Blick behalten

Apropos „besonderes Augenmerk“: Das sollten Eltern auch auf das Mediennutzungsverhalten ihrer Kinder außerhalb des Homeschoolings richten. Wie die Ergebnisse der DAK-Längsschnittstudie „Mediensucht 2020“ für das Frühjahr 2020, also für Lockdown-Zeiten, aufzeigen, haben sich Gaming-Zeiten und Social-Media-Aktivitäten im Vergleich zu den Ergebnissen vom Herbst 2019 besorgniserregend gesteigert. Dass der Lockdown eine Ausnahmesituation darstellt und Vieles aus der realen in die digitale Welt übertragen werden musste, ist allen klar. Dennoch: Alle Medienregeln über Bord zu werfen ist leider keine Lösung. Hier müssen Eltern vielleicht noch einmal an ihrer „Digital-Strategie“ arbeiten.

Fazit

Auch wenn die Corona-Pandemie zu einer „Digital-Offensive“ in Familien und in Schulen beigetragen hat, normal ist digital noch lange nicht. Wichtig ist es - darüber waren sich alle Eltern einig - den „Sprung ins kalte Wasser“ auch zum „Schwimmen Lernen“ zu nutzen. Weitere Erfahrung zu sammeln, an Konzepten zu arbeiten, Vor- und Nachteile abzuwiegen. Und ganz wichtig: Miteinander im Austausch zu bleiben, Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte. Schließlich – so das Fazit des Abends – sitzen wir ja doch alle im gleichen Boot.

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