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Digitale Medien in der Kita in Corona-Zeiten

Digitaler Morgenkreis in der Kita

Die Kitas haben geschlossen. Doch wie bleibt der Kontakt zu den Kindern und Eltern bestehen? Das Krippenhaus Handewitt in Schleswig-Holstein lädt täglich zum digitalen Morgenkreis ein. Wie der abläuft, erklärt die Kitaleitung Julia Bein.

Julia Bein ist staatlich anerkannte Erzieherin mit dem Zusatz Frühpädagogik. Seit 2014 ist sie im Adelby1 Krippenhaus Handewitt als Erzieherin im Gruppendienst tätig, seit dem Frühjahr 2019 als Einrichtungsleitung. Anteilig hat sie Stunden im Gruppendienst behalten, um der Praxis möglichst nahe zu bleiben.

Bereits seit einigen Wochen sind die Kitas wegen des Corona-Virus geschlossen. Wie bleiben Sie mit Kindern und Eltern im Kontakt?

Als Erstes dachten wir, dass wir Briefe an die Kinder schreiben und berichten, was wir in der Kita so machen. Im gleichen Zeitraum haben wir mit dem Träger über Microsoft „Teams“ Videokonferenzen abgehalten, um uns im Kreis der Kolleg*innen abzustimmen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Dabei kam die Idee auf, das auch mal mit den Kindern zu versuchen. Wir wollten wieder Teil des Alltags werden. Die Kinder sollen uns ja nicht vergessen, unsere Gesichter mal wiedersehen und auch die Rituale aus der Krippe erinnern. So haben wir uns für den digitalen Morgenkreis entschieden.

Wie sind Sie vorgegangen?

Zuerst haben wir die Elternvertreter informiert, die fanden die Idee klasse und haben alle Eltern benachrichtigt. Bei allen kam der digitale Morgenkreis gut an. Wir haben es den Eltern auch völlig freigestellt, mitzumachen. Im nächsten Schritt mussten wir von allen Eltern nochmal die Mail-Adressen abfragen und um die Genehmigung bitten, sie zum digitalen Morgenkreis über „Teams“ einzuladen. Die Anleitung von unserer IT-Abteilung über die Nutzung der Software haben wir den Eltern auch geschickt. Nachdem alle Adressen und Einverständniserklärungen da waren, haben wir die Einladungs-Links an die Eltern gemailt. Und dann konnte es losgehen.

Wie läuft ein digitaler Morgenkreis ab?

Wie im normalen Kita-Alltag findet der digitale Morgenkreis montags bis freitags um 9 Uhr statt. Je nachdem, wie viele Lust haben und es auch pünktlich um 9 Uhr schaffen, sind wir in der Regel so zwischen sechs und zwölf Kinder, von maximal 15 möglichen. Technisch wäre es übrigens auch möglich, den Morgenkreis aufzuzeichnen, so dass die Kinder sich das später nochmal ansehen können. Wir haben uns aus Datenschutzgründen aber vorerst bewusst dagegen entschieden.

Wir sind ja eine Krippe, da ist das jüngste Kind 15 Monate alt, das älteste knapp drei Jahre. Klar, dass da die Eltern immer noch dabei sind – sowohl Mütter als auch Väter. Manchmal auch Geschwisterkinder.

Ein Kernteam von vier Erzieher*innen gestaltet den Morgenkreis. Jeder übernimmt einen Part: Eine Kollegin macht die Begrüßung. Die Nächste singt, zum Beispiel das „Luftballon-Lied“, bei dem immer eine neue Farbe für den Luftballon ausgesucht wird. Die Kinder werden direkt angesprochen und dürfen eine Farbe wählen. Dann stellt ein Kollege immer noch eine Aufgabe an die Kinder, beispielsweise für das Essen einen Tischspruch auszuwählen und gemeinsam mit den Eltern aufzusagen. Und zum Schluss übernimmt noch jemand die Verabschiedung. Insgesamt dauert das gute zehn Minuten. Das machen wir dann jeden Tag so. Kinder wollen und brauchen das Vertraute, das Wiederkehrende. Gerade jetzt, in dieser Zeit.

Hatten Sie selbst oder die Erzieher*innen in Ihrer Kita vorher schon entsprechende Fortbildungen zum Einsatz von Medien in der Kita - oder haben Sie sich „aus der Corona-Not heraus“ das nötige Wissen selbst angeeignet?

Fortbildungen dazu hatten wir keine zuvor. Der Träger hat uns eine detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitung für das Programm geschickt, in der die einzelnen Funktionen beschrieben waren. Wir haben eine super fähige und engagierte IT-Abteilung beim Träger. Die unterstützen einen sofort, gerade wenn man solche Ideen hat. Die brennen dann auch gleich dafür. Damit haben wir uns dann erstmal auseinandergesetzt. Am Anfang war das auch noch ganz schön holprig. Aber nach und nach dann besser.

Wie waren die Reaktionen im Team?

Das Team war Feuer und Flamme und hatte richtig Lust, etwas Neues auszuprobieren. Alle waren und sind begeistert und zuverlässig dabei. Das Schöne ist ja, dass es keiner zusätzlichen Technik bedarf – außer eben Microsoft „Teams“ und einem Gerät mit Kamera. Das war uns wichtig, dass kein Kind beziehungsweise keine Familie aufgrund fehlender Technik ausgeschlossen wird. Ein Smartphone mit Kamera hat jeder, das wussten wir.

Gibt es Schwierigkeiten bei der Umsetzung?

Anfangs hatten wir Übertragungsprobleme, da hat sich das System öfter mal aufgehängt oder es gab Verzerrungen. Wir haben schnell gemerkt, dass nur derjenige, der gerade spricht, das Mikrofon einschalten sollte, der Rest stellt es stumm. Auch wohnt eine Kollegin sehr ländlich, da klappt die Internetverbindung oft nicht gut. Sie versucht trotzdem immer dabei zu sein, damit die Kinder sie wenigstens auch mal sehen. Von Tag zu Tag, von Woche zu Woche wird unser digitaler Morgenkreis besser.

Bekommen Sie Rückmeldungen aus den Familien? Wie kommt der digitale Morgenkreis bei den Eltern und Kindern an?

Die Reaktionen der Eltern sind durchweg positiv. Viele haben sich für das Angebot bedankt und auch für ihre Kinder verbalisiert, dass sie den digitalen Morgenkreis sehr mögen und am Morgen schon immer fragen, wann es denn losgeht – auch am Wochenende. Die Kinder fordern das teilweise richtig ein. Auch wir Erzieher*innen konnten die Reaktion der Kinder auf den digitalen Morgenkreis ganz gut beobachten: Anfangs saßen sie vergraben im Schoß der Eltern. Jetzt sind sie alle begeistert dabei, wenn wir auch mal Bewegungslieder singen oder Spiele machen. Die haben sich mittlerweile an die neue Situation und das Medium gewöhnt.

Hat die Corona-Krise den Umgang mit digitalen Medien in Ihrer Kita befördert?

Ja, aus meiner Sicht absolut. Ich bin sehr kritisch beim Thema Medien in der Kita, vor allem in der Krippe. Das war vorher kein großes Thema bei uns. Und wenn, dann eher in der Hinsicht, mit den Eltern über den Medienkonsum ihrer Kinder zu sprechen. In der jetzigen Situation erlebe ich die Medien als super Werkzeug, um mit den Kindern in Kontakt zu bleiben. Und ich sehe aber auch, dass keins der Kinder vor den Medien geparkt wird, zum Ruhigstellen. Die Eltern nutzen die Medien gemeinsam mit den Kindern. Das ist schön zu sehen.

Möchten Sie den Medieneinsatz nach der Wiederöffnung der Kita fortführen?

Naja, den digitalen Morgenkreis brauchen wir dann erstmal nicht mehr, der wird dann hoffentlich wieder normal stattfinden können. Eine Mitarbeiterin des Trägers stellte die Idee vor, für das Thema Sprachförderung interaktive Kinderbücher einzusetzen. Zum Beispiel, wenn ein Kind eine andere Muttersprache hat. Dann kann ein Lieblingsbuch in dieser Sprache „vorgelesen“ und so eine Brücke zum Kind gebaut werden. Das kann ich mir ganz gut vorstellen. Dafür sind solche Medien super geeignet, auch schon in der Krippe. Einen konkreten Plan dafür habe ich noch nicht. Ich würde aber sagen, dass ich dem Thema nun offener gegenüberstehe.


Info

Das Krippenhaus Handewitt im Kreis Schleswig-Flensburg in Schleswig-Holstein hat seit August 2014 geöffnet. In zwei Lerngruppen können hier bis zu 20 Jungen und Mädchen unter drei Jahren betreut werden. Aktuell sind es 15 Kinder zwischen 15 Monaten und drei Jahren. Insgesamt arbeiten unter der Leitung von Julia Bein sieben Mitarbeitenden der Kita. Das Krippenhaus ist unter der Trägerschaft von Adelby1 – Kinder- und Jugenddienste.

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