Medienkompetenz

Echt Jetzt?

Ein singender Bauer. Kinder, die alleine verreisen. Kommt Ihnen auf dieser Seite etwas seltsam vor? Medien stellen uns täglich die Aufgabe zu entscheiden, welche Inhalte wahr und welche fiktiv sind. Hier kommen drei Geschichten, die stimmen. Oder gut erfunden sind.


Ein gelber Hintergrund mit dem Wort "Echt" in Schwarz und darunter "jetzt?" in Rot und auf dem Kopf
Layout: Ole Utikal

Einmal Mallorca, bitte

„Weil ihnen der Sand in der Buddelkiste ihrer Kita nicht gut genug war, sind zwei Frankfurter Jungs aus dem Kindergarten ausgebüxt und haben sich auf den Weg nach Mallorca gemacht. Die Reise der fünf und sechs Jahre alten Knirpse endete aber vorzeitig. „Versteckt hinter dichten Büschen“ hätten die beiden Jungs ihre Flucht aus der Kita vorbereitet, berichtete die Polizei. Sie kletterten über einen Zaun, fuhren zuerst mit dem Bus und dann mit der S-Bahn. Ihr Ziel: der Frankfurter Flughafen. Die beiden strandeten jedoch am Hauptbahnhof, wo sie dem Sicherheitsdienst auffielen.“

Eine Geschichte aus dem wahren Leben? Ja! Diese Meldung ist wortwörtlich auf Spiegel Online nachzulesen und stammt aus dem September 2011. Entstanden ist sie wie viele Nachrichten in Deutschland: Die Polizei prüft nach Einsätzen, ob das Geschehene für Medien relevant ist, und schreibt eine Pressemeldung. Diese Meldung schickt sie an Nachrichtenagenturen, die wiederum die Relevanz prüfen. Die Journalisten dort recherchieren, redigieren und schicken die Nachricht dann journalistisch zusammengefasst an regionale und nationale Medien wie zum Beispiel Spiegel Online. Ob die News erscheint, hängt dann davon ab, ob auch die Redakteure dort glauben, dass sie für die Leser und User von Relevanz ist.

Kummer mit Tom

Pamela, eigentlich verkörperst Du ja den materialisierten Zeitgeist annähernd perfekt. Die Wirklichkeit verliert sich in der Simulation und der Körperkult ist die konsequenteste Reaktion darauf. Hast Du darin den Sinn des Lebens gefunden?

Pamela: „Ich kapiere zwar nicht genau, wovon Du sprichst, aber eines weiß ich: Ich muss nicht unbedingt nach einem Sinn im Leben suchen, um glücklich zu sein.“

Ein wahres Gespräch? Nein, komplett gefälscht. Diese Passage ist Teil eines Interviews des Journalisten Tom Kummer mit Pamela Anderson – und eines der größten Medienskandale Deutschlands. Im Jahr 2000 enthüllte das Nachrichtenmagazin Focus, dass Kummer zahlreiche im SZ-Magazin veröffentlichte Interviews mit Prominenten aus früheren Interviews zusammengeschrieben oder schlicht erfunden hatte. Die Chefredakteure des Magazins mussten daraufhin ihre Posten räumen, weil die Veröffentlichung mit den Grundsätzen des klassischen Journalismus nicht vereinbar wären.

Bauer findet Silbermond

„Das sieht ja schön aus“, Iris ist verzückt von der Szenerie vor ihr, „ganz romantisch, ganz romantisch!“ Sie steht inmitten einer grünen Wiese, vor ihr lagern einige Strohballen, mit Sonnenblumen dekoriert, davor eine Picknickdecke, Sektgläser, eine Kerze – und Uwe, ihr auserwählter Bauer aus dem Emsland. „Um meine Gefühle auszudrücken, halt ich es ein bisschen mit Silbermond“, sagt Uwe und beginnt leise zu singen: „Du bist das Beste, was mir je passiert ist…“

Echt? Schwer durchschaubar. Die Szene ist ein Ausschnitt aus der Kuppelshow „Bauer sucht Frau“. Der Fernsehsender RTL suggeriert den Zuschauern, dass sie auf dem Bildschirm echte Bauern, echte Szenen und, wenn es funkt, auch echte Liebe sehen. Die Sendung läuft bereits in der siebten Staffel. Immer wieder wird bekannt, dass die Produktionsfirma die Wirklichkeit manchmal etwas verdreht: Ein Bauer hatte seinen Hof lediglich für die Dreharbeiten gemietet und manche Paare waren nur vor der Kamera verliebt. Wie echt die Liebesbekundung von Uwe ist? RTL zeigte in einer Rückblicksendung, dass Uwe und Iris immer noch ein Paar sind. Ob er jedoch tatsächlich ganz allein die Wiese romantisch dekoriert hat und ob die Idee fürs Liebesständchen seine eigene war, ist nicht bekannt.


Dieser Text ist in der scout-Ausgabe 2_2012 erschienen.

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