Mediennutzung unter Geschwistern

Ein Spaziergang mit Legenden

Die Werbegrafikerin Dagmar C. aus Wedel behandelt ihre Kinder in Sachen Medienkonsum völlig unterschiedlich - und das aus guten Gründen.


Ansicht von hinten, wie zwei Jungen eine Straße entlang laufen
Foto: Cindy Prins/Stocksy

ere beiden Kinder sind nur zwei Jahre auseinander. Aber da liegen oft Welten zwischen. Maria ist 15, total selbstständig, sehr gut in der Schule. Wenn sie am späten Nachmittag von der Schule nach Hause kommt, legt sie sich gerne vor den Fernseher. Vor ein, zwei Jahren habe ich mich noch groß darüber aufgeregt. Nicht nur, weil sie viel ferngesehen hat – sondern auch über den Schrott, der da lief. Scripted Reality, so ein Unsinn.

Maria sagte dazu: ‚Damit kann ich schön ausspannen!‘ Heute bin ich viel relaxter, was ihren Medienkonsum betrifft. Sie erbringt in der Schule ihre Leistungen, ist überhaupt total vernünftig. Da stelle ich mich doch nicht hin und sage: ‚Du darfst nur zwei Stunden pro Tag fernsehen und bitte nur Naturdokus!‘

Henry ist 13, und bei ihm ist alles ganz anders. Fernsehen interessiert ihn nicht, dafür aber Computerspiele umso mehr. LOL, also League of Legends. Minecraft fand ich noch kreativ, aber LOL gefällt mir überhaupt nicht. Henry ist ein ganz anderer Typ Kind. Er hat zum Beispiel schon immer sehr viel mehr Schlaf gebraucht als Maria. Er tut sich am Gymnasium viel schwerer als seine Schwester, schläft nach dem Unterricht erst mal eine Runde. Und er würde am liebsten daddeln bis zum Umfallen. Er darf aber nur anderthalb Stunden am Tag, und darüber würde er sich am liebsten jeden Tag mit mir und meinem Mann streiten.

Maria findet, dass Henry zu viel spielt und sagt: ‚Der ist doch süchtig!‘ Wir erinnern sie dann gerne ganz sachte daran, dass sie mit 13 unbedingt ihre Erfahrungen mit Alkohol machen wollte. Jedes Kind bringt eben seine ureigenen Aufgaben für die Eltern mit sich. Dass Maria fernsehen kann, wann sie will, und Henry nur begrenzt Games spielen darf, wird bei uns nicht mehr verhandelt. Es ist so. Henry findet es grundsätzlich ungerecht, hat es aber letztlich geschluckt.

An Wochenenden oder wenn seine Freunde zu Besuch sind, gibt es schließlich auch Ausnahmen. Vergangenen Samstag durfte ein Freund bei Henry übernachten. Sofort ging das Geschacher los: ‚Dürfen wir heute mal schon ab 18 Uhr und bis Mitternacht?‘ – ‚Okay, aber ihr müsst mit zum Spaziergang an die Elbe‘, haben wir ausgehandelt. Die Jungs sind dann zweieinhalb Stunden lang immer ein paar Schritte hinter uns hergedackelt. Sie haben sich die ganze Zeit unterhalten. Ihr Gesprächsthema war League of Legends …

Was soll man dazu sagen?

Die beiden fanden den Spaziergang übrigens ganz toll.“

Das könnte Sie auch interessieren: