E-Sport

Shooter sind kein Sport

E-Sport wird immer populärer und sogar von der Politik gefördert – dabei sind viele Fragen rund um Suchtgefährdung und Jugendschutz beim Profi-Gamen noch längst nicht geklärt.

Kinder und Jugendliche in Schleswig-Holstein vertreiben sich ihre Zeit nicht länger mit Computerspielen. „Sie sagen jetzt: ‚Wir treiben eine Runde E-Sport‘, wenn sie sich vor die Monitore setzen“, erzählt eine Kieler Mutter von ihren drei Söhnen im „Fortnite“-fähigen Alter. E-Sport, das ist die Abkürzung für „Elektronischer Sport“ und die Profiabteilung des Gaming: Teams von Berufsspielern kämpfen vor Publikum, oft in großen Hallen, gegeneinander in Games wie „Fortnite“, „League of Legends“, „Dota 2“ oder „Fifa“. Zig-Tausende schauen bei großen Events zu, Millionen verfolgen sie weltweit online.

In Asien ist es ein riesiger Markt, aber auch in Deutschland entwickelt sich der E-Sport. Schleswig-Holsteins Jamaika-Koalition zum Beispiel hat sich seiner Förderung verschrieben, den Bau eines „Leistungszentrums“ in Kiel beschlossen und finanziert sowie die Förderung von weiteren „E-Sport-Häusern“ angekündigt. Schrumpfende Sportvereine auf dem platten Land setzen auf die Lockkraft des E-Sports, um junge Mitglieder anzuziehen. Große Sportvereine wie der HSV und FC St. Pauli „verlängern“ ihre Marke durch die Gründung von Profi-E-Sport-Teams.

E-Sport-Verbände, Spielehersteller und E-Sportvermarkter treiben die offizielle Anerkennung von E-Sport voran, es winken Gelder der Sportförderung, steuerliche Erleichterungen, staatliche Unterstützung (und auch die Möglichkeit, E-Sportwetten zu legalisieren).

Niklas Timmermann, ehemaliger E-Sport-Weltmeister und erster Vizepräsident des E-Sport Bundes Deutschland (ESBD), der die Landesregierung von Schleswig-Holstein beim Aufbau des Landesleistungszentrums für den E-Sport berät, setzt die Leistungen von E-Sportlern durchaus mit denen im „echten“ Sport gleich: „In meinen Augen gibt es eine sehr große Vergleichbarkeit mit anderen anerkannten Sportarten, die auf Konzentration bauen, wie zum Beispiel das olympische Schießen. Hinzu kommt taktisches Denken wie beim Schach. Viele E-Sport-Wettkämpfe werden in Teams ausgetragen, die strategisch interagieren müssen.“

Dieser Begeisterung von Befürwortern in der Politik und in Computerspiel- und E-Sport-Branchenverbänden stehen jedoch große Bedenken entgegen:

Kann das gut sein, aus Computerspielen, die von vielen Jugendliche im Übermaß konsumiert werden, auch noch einen gesellschaftlich anerkannten und von staatlichen Förderungen profitierenden Sport zu machen?

Für Kinder und Jugendliche gilt Sport als besonders wichtig – sollen sie doch gesund und mit Freude an Bewegung aufwachsen. Als E-Sport anerkannt werden sollten laut Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) nur Spiele, die sich an Vorbilder anlehnen, die es auch „im echten Leben“ gibt – also wie bei „FIFA“ und Fußball.

Carsten Bauer, Geschäftsführer der Sportjugend Schleswig-Holstein, unterstreicht: „Wir haben mit Sport ja gerade das Ziel, Kinder und Jugendliche in Bewegung zu bringen.“ Er ist zudem besorgt hinsichtlich der Inhalte vieler Spiele: „Werte des Sports werden mit Füßen getreten: Es kann nicht angehen, dass Gewalt verherrlichende Spiele gemeinsam trainiert werden.“

Der Psychologe Dr. Hans-Jürgen Rumpf von der Uni-Klinik Lübeck thematisiert in einem TAZ-Interview einen weiteren problematischen Aspekt: Laut einer Forsa-Studie sei jeder zwölfte Junge oder männliche Erwachsene zwischen zwölf und 15 Jahren abhängig von Computerspielen: „Dass E-Sport auch süchtig machen kann, sollte die Politik berücksichtigen.“ Außerdem dürfe man die Signalwirkung durch die Einordnung als Sport nicht unterschätzen: „Jugendliche können ermuntert werden, noch mehr zu spielen, was eine Suchtentwicklung bei gefährdeten Personen befördern kann.“

So wie die Suchtgefahr macht auch der Jugendschutz vielen Eltern Sorge – also die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass Kinder und Jugendliche nur Inhalte zu sehen bekommen, die sie seelisch nicht beeinträchtigen. Auch wenn das beim gemeinsamen Trainieren im Verein vielleicht sogar mehr als zuhause gewährleistet sein mag, beunruhigen Jugendschützer solche Streaming-Plattformen (live auf Twitch, aufgezeichnet auf YouTube), auf denen Kinder Gamern beim Spielen zuschauen können. Darunter sind nämlich häufig Spiele, die nicht für jüngere Zuschauer geeignet sind – ein Phänomen, das viele Eltern noch nicht durchblickt haben.

Der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein fordert daher, eine klare Rechtssicherheit zu schaffen: „Es müssen alle aktiven SpielerInnen, alle ZuschauerInnen auf Veranstaltungen und KonsumentInnen von Live-Streams oder Aufzeichnungen, die von der USK vergebene Altersgrenze erreicht haben“, heißt es in einer Stellungnahme, die an den Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags adressiert wurde.

Junge Fans, die Spiele erst als Zuschauer konsumieren, wollen sie häufig danach auch selbst spielen. Und mehr: Für viele Kinder und Jugendliche ist „E-Sportler sein“ der nächste große Berufswunsch, nach „Influencer werden“. Sie träumen davon, im E-Sport Karriere zu machen, ein Star zu werden. Niklas Timmermann, selbst Weltmeister in „Need for Speed“, warnt vor hohen Erwartungen: „Erfolgreicher E-Sportler zu werden, das ist extrem unwahrscheinlich. Weltweit spielen hunderte Millionen, aber es gibt nur eine knapp vierstellige Zahl von echten Stars.“