Experteninterview: Spielepädagogik

Das große Spiel um Anerkennung

Illustration: Thies Schwarz

Horst Pohlmann, Dozent für Medienpädagogik an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid, über das große Bündel von Gründen, das Computerspiele so attraktiv macht.

scout: Was macht die Faszination von digitalen Spielen aus? Das ist doch alles „gar nicht echt“?

Autorennen zu fahren, ohne einen Führerschein zu haben: Das ist vielleicht nicht echt, aber trotzdem sehr reizvoll! Viele Computerspiele basieren auf Szenarien, die wir in der Realität nicht umsetzen können. Natürlich fasziniert uns das. Spiele unterhalten uns, ich stoße im Spiel auf ständig neue Herausforderungen, erklimme neue Level. Ich spüre Spannung, erhalte Anerkennung. Die Belohnungen in Games sind sehr wirkmächtig, weil sie unmittelbar erfolgen. Jetzt nehmen Sie dieses ganze Bündel und fragen sich: Aus welchem Grund sollte ich keine Games spielen?

scout: Eltern sorgen sich – gerade weil es so verlockend ist!

Ganz grundsätzlich sollten sich Eltern entspannen: Bei den meisten, die über eine längere Zeitspanne exzessiv spielen, ist es eine Phase. Die vorbeigeht, wenn etwas Neues im Leben passiert: Ein neuer Freund, eine neue Freundin sind auf einmal viel spannender. Bei unserer Arbeit haben wir es oft mit jungen Erwachsenen zu tun, die zu Beginn ihres Studiums im Spiel versinken, weil das kontrollierende Umfeld nicht mehr da ist, sie sich fremd fühlen. Da wird das Gamen zur logischen Folge – bis eine Prüfung ansteht oder man neue Freunde gefunden hat. Natürlich: Es gibt auch noch diesen kleinen Prozentsatz derjenigen, die sich in eine regelrechte Sucht hineinverloren haben.

scout: Was finden Kinder und Jugendliche im Spiel – und Eltern nicht?

Wer im Spiel gut ist, wird dadurch aufgewertet. Kinder und Jugendliche können als Spielfiguren so viel Macht und Einfluss wie ein General im echten Leben haben! Es gibt in jedem Spiel so viele verschiedene Kompetenzen, die man erlernen muss, um gut zu sein. Eltern sehen das meist nicht, erkennen das nicht an.

scout: Es geht im Spiel um Anerkennung?

Ja, genau, die Anerkennung ist beim Gaming ein zentraler Anreiz. Das hat die Studie „Kompetenzen und exzessive Nutzung bei Computerspielern“ der Medienanstalt LfM in NRW ergeben. Auf die Frage an Vielspieler, warum sie spielen, haben quasi alle geantwortet: „Es geht uns um Anerkennung und um soziale Kontakte.“ Mir als Pädagogen sagt das: Wenn ich bei jungen Leuten, die viel zu viel spielen, etwas erreichen will, muss ich der Anerkennung und der Gemeinschaft im Spiel etwas Gleichwertiges in der analogen Welt entgegensetzen.

Aus welchem Grund sollte ich keine Games Spielen?

Horst Pohlmann

scout: Welche Rolle nehmen die Computerspiele in der Persönlichkeitsentwicklung ein?

Computerspiele fördern Jugendliche in vielen Aspekten. Bei Rollenspielen müssen sie mit anderen interagieren. Sie können ausprobieren: Was passiert, wenn ich meine Identität wechsle, mein Geschlecht, mein Alter? Das ist in der Pubertät sehr spannend.

scout: Es heißt immer, Eltern sollten sich für den Medienkonsum der Kinder interessieren. Findet der Nachwuchs das nicht eher aufdringlich?

Wir haben Eltern hier, die sich bitter über das Computerspiel ihrer Kinder beklagen. Wenn ich aber mehr darüber erfahren will, bekomme ich nichts aus ihnen heraus: Sie wissen gar nicht, was ihre Kinder so treiben. Sie kennen ihre Kinder gar nicht, das finde ich erschütternd. Eltern sollten wissen, was ihre Kinder spielen. Das Interesse muss aber echt sein. Kinder spüren schnell, ob sich da einer nur einschleimen oder herumspionieren will. Wichtig ist, das Gamen nicht von vornherein abzuwerten: „Was daddelst du da die ganze Zeit?“ Eltern sollten gemeinsame Erlebnisse suchen, Alternativen schaffen: zusammen etwas spielen, heute ein Computerspiel, morgen ein Brettspiel. Wenn Familien regelmäßig mit Spaß Dinge gemeinsam machen, profitieren alle noch viele Jahre davon!


Online-Artikel:

„E-Sport“ ist ein spannender Trend–aber nicht ohne Probleme in Sachen Jugendschutz:

www.scout-magazin.de [LINK]

Was macht Spielen so faszinierend? Das scout-Interview mit der Spielepädagogin Susanne Endres unter: www.scout-magazin.de [LINK]


Dieser Artikel stammt aus dem scout-Heft 1/2019: "Die wollen doch nur spielen!"

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