scout fragt nach

Aufklärung in den Sozialen Medien - wie funktioniert das? Und funktioniert das gut?

scout hat bei Stefan Spiegel vom Online-Netzwerk „funk“ nachgefragt. Der Jugendkanal von ARD und ZDF bietet zahlreiche Aufklärungs-Formate an.


Stefan Spiegel koordiniert die Inhalte von „funk“, dem Online-Content-Netzwerk von ARD und ZDF. funk richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren und produziert zielgerichtet Clips und Podcasts für populäre Onlineportale – Youtube, Instagram, Snapchat, TikTok, Spotify und Facebook. Ein wichtiges Thema ist sexuelle Aufklärung.


Aufklärung, das klingt irgendwie sperrig. Warum nehmen Sie sich des Themas an?

Bei funk reden wir von „Orientierung“, also den „Entwicklungsaufgaben“, mit denen sich Jugendliche und junge Erwachsene auseinanderzusetzen haben. Die Beschäftigung mit Themen der sexuellen Aufklärung haben da einen wichtigen Anteil. Die Jugendlichen sind in einer sensiblen Phase, erforschen ihre eigene Identität. Sie wollen das tun können, ohne sich beschämt fühlen zu müssen. Dieser Weg erfordert viel Orientierung – und da wollen wir erklärend Unterstützung geben.

Wozu brauchen wir Aufklärung auch noch im Internet – es gibt doch Eltern, Schule, Freunde?

Aufklärung ist ein sensibles Thema: Da will man sich nicht im Biounterricht mit Fragen vor der Klasse bloßstellen. Und bei den Eltern natürlich auch nicht. Weil das wahnsinnig peinlich werden könnte. Gerade wenn die Eltern selbst nicht offen mit Sex-Themen umgehen. Oder eine komische oder gar stark ablehnende Haltung haben. In allen diesen Fällen ist es doch natürlich, wenn Jugendliche auf der Suche nach Antworten ins Netz abwandern. Da gibt es unfassbare viele Inhalte. Aber nicht alle sind gut. Und genau da setzen wir an.

Welche Kanäle füttern Sie?

Unser Anspruch ist, männliche und weibliche Zielgruppen von 14 bis 29 Jahren anzusprechen, und diverse natürlich auch. Das Altersspektrum entspricht der Beauftragung von funk als jungem Online-Sender von ARD und ZDF. Wir liefern unsere Inhalte da aus, wo diese Zielgruppen jeweils unterwegs sind. Unser „Professor Aufgeklaert“ zum Beispiel wendet sich vor allem an männliche Jugendliche ab 14 Jahren und ist auf TikTok mit rund 400.000 Followern sehr erfolgreich. „wahrscheinlich peinlich“ ist in der Tendenz jung und weiblich, „Auf Klo“ etwas älter und eher für alle – und auf Youtube gerne feministischer.

Worum geht es? Was interessiert die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ganz besonders?

Die klassischen Fragen: Wie küsse ich richtig, wie finde ich die passende Kondomgröße, wie gehe ich mit meiner ersten Periode um? Wie bekomme ich Schamhaare? Oder: Was ist eine Hodentorsion, was ist Freundschaft, und was macht eine Beziehung aus? Jungen wollen vielleicht auch wissen, woher Menstruationsschmerz kommt und wie sich das anfühlt. Mein Eindruck ist: Das Themenportfolio der Aufklärung hat sich stark geweitet seit meiner Jugend. Jugendlich heute sind offener und wollen mehr wissen.

Wir von funk müssen uns dann fragen: Wie setzen wir das spezielle Thema um, wo spielen wir es aus? Selbstbefriedigung ist ein echter Dauerbrenner. Wir haben das für Jungs von einer Frau erklären lassen, und umgekehrt – das wurde richtig gefeiert!

Woher wissen Sie denn, wen genau was bewegt?

Professor Aufgeklaert zum Beispiel wird von zwei Medizinstudenten kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung produziert. Die wissen also, was junge – meist männliche – Patienten bewegt und wie man es ihnen richtig erklärt. Außerdem haben die Macher*innen aller unserer Kanäle direkten Kontakt zu den Nutzer*innen, weil wir die Kommentare grundsätzlich als redaktionellen Inhalt sehen und deshalb begleiten. Da werden dann auch regelmäßig neue Fragen aufgeworfen, die für alle relevant sind.

Welchen Ton setzen Sie?

Ganz wichtig ist uns, nicht zu belehrend daherzukommen. Wir wollen Diskurse anregen, ohne einen absoluten Anspruch auf die Wahrheit zu haben. Professor Aufgeklaert macht den niedrigschwelligen Einstieg ins Thema mit oft ziemlich einfachen Sexwitzchen leicht. Und ist damit sehr erfolgreich. So versuchen wir, für alle Kanäle und alle Zielgruppen die passende Ansprache zu finden.

Wie werden die funk-Inhalte gefunden?

Bei TikTok, Instagram und Youtube ist es ja eher so, dass die Inhalte die Nutzer*innen finden. Die Algorithmen sind inzwischen sehr präzise darin, die Interessen der User*innen zu modellieren. Sie spielen die – vermutlich – passenden Inhalte zu. Nach Bedürfnissen, die grundsätzlich da sind, aber vielleicht nicht gerade in diesem Moment. Wenn ich nun reagiere und es mir anschaue, bekomme ich die Inhalte immer wieder vorgeschlagen. Und natürlich können Jugendliche den Kanälen dann auf TikTok und Instagram auch folgen.

Gibt es Themen-Tabus?

Nein, wir wollen über alles reden können. Bei möglicherweise sensiblen Themen sprechen wir uns aber von vornherein eng mit den Jugendschutzbeauftragten ab. Und das passiert regelmäßig.

Auf ihren Aufklärungskanälen geht es immer um „Seggs“ und nicht um Sex – woher kommt das?

Dahinternsteht ein immerwährender Konflikt: Wir bewegen uns auf Plattformen, die bestimmte Inhalte und Schlagworte sperren können. Da geht es um kulturelle Gepflogenheiten der jeweiligen Länder, aus denen sie kommen. Wir müssen aber auf diesen Plattformen präsent sein, weil die Jugendlichen dort sind. Und wenn eine Plattform „Sex“ sperrt, dann müssen wir es eben „Seggs“ nennen. Wobei sich diese Schreibart inzwischen durchgesetzt hat und einfach so genutzt wird. Für uns ist das alles nicht leicht: Es gibt zum Beispiel Inhalte, die unsere Jugendschutzbeauftragten der Sender freigeben – und die dann auf Youtube hinter dem „Ü-18-Vorhang“ verschwinden. Wir können diesen Konflikt aber selbst nicht lösen, sondern nur immer wieder darauf hinweisen.