Chatten via Smartphone

Das WhatsApp-Geheimnis

Dauerchat von morgens bis tief in die Nacht – für viele Kinder und Jugendliche ist WhatsApp ein ständiger Begleiter. Was ist das Besondere an WhatsApp? Und wo lauern Risiken?


Guten Morgen, liebes Smartphone. Es ist 6.40 Uhr, da vibriert Lenas Handy zum ersten Mal. Müde zieht die 14-Jährige ihr Telefon unter die Bettdecke. Per WhatsApp schreibt Tobi, er sei müde. „Gäääähn“. Nur wenige Sekunden später antwortet Moritz mit einer Sprachnachricht. „Tobi, was hast du wieder die ganze Nacht lang gemacht, hä?“ Um 6.52 Uhr schickt Mia einen Hilferuf in den Klassenchat: „Ich finde den Zettel nicht!!! Hat jemand die Vokabeln für den Test heute?“ „Ja, warte“, schreibt Laura zurück und schickt kurz danach ein Foto vom Aufgabenzettel in den Chat. „Wir schreiben einen Test heute?????“, postet Tim. „OMG!!!“, antwortet Alina. Und so weiter. Lenas Smartphone meldet sich noch ein oder zwei Dutzend Mal an diesem Morgen. Gegen 7.30 Uhr ebbt der Nachrichtenstrom wieder ab, die Schülerinnen und Schüler ihrer 8a sind jetzt auf dem Weg in die Schule.

WhatsApp ist die heißeste App – vor allem für Jugendliche

WhatsApp hat sich unter Jugendlichen in Rekordzeit ausgebreitet. SMS, E-Mails, Facebook – alles Schnee von gestern. Wer die gegenwärtigen Mediengewohnheiten der Jugendlichen beobachtet, trifft vor allem auf diese Software. Chatten via WhatsApp ist für junge Leute laut einer Forsa-Studie sogar wichtiger als eine persönliche Unterhaltung. Soeben hat WhatsApp eine magische Marke geknackt: Weltweit wird die App nun von mehr als einer Milliarde Menschen genutzt.

Lehrer berichten, schon Grundschüler kämen morgens todmüde in die Klasse, weil sie bis in die späte Nacht hinein „gewhatsappt“ hätten, oft bis weit nach Mitternacht. Laut Jugendstudie JIM beschäftigen sich Jugendliche, die WhatsApp nutzen, pro Tag durchschnittlich 27 Mal mit dieser Anwendung, fast jeder Fünfte sogar über 50 Mal.

Was ist das Besondere an WhatsApp?

„Keine Werbung! Keine Spiele! Kein Schnickschnack!“ Dieses Mantra von WhatsApp-Gründer Jan Koum ist ein wesentlicher Grund für den WhatsApp-Erfolg: Der Service ist ebenso simpel wie eine SMS. Aber es fallen keine Versandkosten an, denn WhatsApp-Nachrichten wandern über das (mobile) Internet. Wie bei der SMS müssen sich Nutzer nicht einmal gegenseitig hinzufügen. Sobald die Telefonnummer eines WhatsApp-Users im Adressbuch gespeichert ist, kann man mit ihm chatten, Bilder, Videos und Audiomitteilungen verschicken oder direkt telefonieren. Bald soll ein Videochat hinzukommen. Auch hier gilt also: Sorgsam mit den persönlichen Daten umgehen und darauf achten, an wen man die eigene Mobilnummer weitergibt.

Bei WhatsApp geht es nur um eines: schnelle und unkomplizierte Kommunikation unter Freunden. Die Gruppen und Broadcast-Listen, die man in der Software anlegen kann, erlauben die zielgenaue Kommunikation mit den Personen aus dem Freundeskreis, Klassenkameraden, dem Sportverein, der Band etc. Das entspricht dem Lebensgefühl der Jugendlichen und ihrem Anlehnungsbedürfnis an Gleichaltrige.

Vielen Eltern ist der Dauerchat nicht geheuer

Wenn aus Kindern junge Erwachsene werden, ändert sich ihr Kommunikationsverhalten grundlegend. Die Jugendlichen beginnen jetzt, ihre Identität zu entwickeln, das andere Geschlecht zu entdecken und sich selbst im Verhältnis zu Gleichaltrigen zu definieren. Ein intensiver Prozess der Selbstvergewisserung beginnt: Wer bin ich, was denken die anderen über mich, bin ich attraktiv, beliebt, akzeptiert? Deshalb steigt der Kommunikationsbedarf vor allem in der Pubertät rasant. Das war schon immer so. Doch während die Elterngeneration noch stundenlang über das graue Schnurtelefon Kontakt hielt, liefert das Smartphone viel komplexere Kommunikationsmöglichkeiten, die vielen Älteren auch Angst machen.

Wer einen Blick in die Chatverläufe der eigenen Kinder gewährt bekommt, entdeckt in der Regel allerdings wenig Spannendes. WhatsApp katapultiert, wie einst Telefon und SMS, eine Welle kommunikativer Nichtigkeiten durch das Netz.

Sollten Eltern auch chatten?

Eltern, die auf dem Stand bleiben wollen, sind früher oder später auch bei WhatsApp „dabei“ – nicht zuletzt in der Hoffnung, selbst die eine oder andere Mitteilung ihrer flügge werdenden Kids zu erhalten. Natürlich „muss“ niemand via WhatsApp chatten, aber die Veränderungen in der medial vermittelten Kommunikation zu ignorieren, wäre eine vertane Chance, die Lebenswelt der Jugendlichen zu verstehen und zu begleiten. Eltern sollten auf dem Laufenden bleiben und ihren Kindern hilfreich zur Seite stehen.

Gruppendruck: Müssen alle Kinder bei WhatsApp mitmachen?

„Wenn man nicht Teil der WhatsApp-Gruppe ist, dann bekommt man nicht die nötigen Informationen. Seien es die Lösungen der aktuellen Hausaufgaben, wo die nächste Haus-Party stattfindet, oder wann welche Schulstunden ausfallen“, diktierte ein 17-Jähriger der Tageszeitung „Die Welt“ ins Mikro. Die meisten Jugendlichen dürften zustimmen.

Gleichzeitig ist der Gruppendruck enorm. Bei WhatsApp nicht dabei sein? Nur ca. ein bis drei Prozent der 12- bis 19-Jährigen trauen sich das laut JIM-Studie. Und sind sie dabei, herrscht innerhalb der Gemeinschaften ein oftmals rauer Ton. Wer dagegen nicht in Gruppen eingeladen wird, fühlt sich schnell ausgegrenzt. Auch zu Mobbing kann es über WhatsApp kommen: WhatsApp ist der mobile Pausenhof, mit allen Licht- und Schattenseiten.

Probleme bei der Nutzung von WhatsApp

Apropos Pausenhof: Natürlich spielt WhatsApp auch in der Schule eine große Rolle. Wie und ob Smartphone & Co. hier genutzt werden dürfen, ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Ganz unabhängig davon, was konkret erlaubt ist: Regeln für ein verantwortungsvolles Verhalten in Sozialen Netzwerken etc. sollten überall auf dem Lehrplan stehen! Ebenso vielfältig – und durchaus auch widersprüchlich – wird in Deutschland mit der Frage des Austausches zwischen Lehrern und Schülern über die App umgegangen. Hier ist es kaum möglich, eine allgemeingültige Empfehlung zu geben.

Unser Fazit: Die überwiegende Mehrzahl der Jugendlichen knüpft und pflegt Beziehungen heute vorwiegend medial. WhatsApp ist ein zentraler Baustein dieser Kommunikationskultur. Geringe technische Hürden und Gruppendynamik bilden die Grundlagen des gegenwärtigen Erfolgs der Anwendung. Jugendliche, die einfache Regeln der Onlinekommunikation beherzigen, können bei WhatsApp den größten Risiken aus dem Weg gehen. Das scout-Magazin hat deshalb einige wichtige Punkte zur WhatsApp-Nutzung sowie zum lästigen Thema „WhatsApp-Kettenbriefe“ zusammengestellt.

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