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Sexting unter Jugendlichen:
Was ist zu beachten?

Sexting ist intime Kommunikation, bei der freizügige Bilder oder Videos digital verschickt werden. Auch Jugendliche machen so Erfahrungen mit Liebesbeziehungen, Intimität und Sexualität. Sexting kann moderne Intimkommunikation sein, wenn es einvernehmlich geschieht und die Beteiligten sich fair und respektvoll verhalten. Doch sollten sie auch Risiken und Gefahren im Blick haben.

Im scout-fragt-nach-Interview benennt Larissa Bode von der ajs Hamburg die Risiken von Sexting und gibt Tipps, wie Eltern ihre Kinder stärken können.


Larissa Bode studierte Internationale Soziale Arbeit und vertieft derzeit im Masterstudium „Childhood Studies and Children’s Rights“ ihr Wissen im Bereich Kinder- und Jugendrechte in der (Sozial-)Pädagogik. Sie arbeitet seit Oktober 2020 bei der ajs – Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V. Dort liegt ihr Arbeitsschwerpunkt auf der Prävention digitaler und analoger Gewalt sowie einer Sensibilisierung für die diversen Lebenswelten in der Jugendphase.


Sexting gilt als zeitgemäße intime Kommunikation via digitaler Medien. Was steckt genau dahinter?

Der Begriff Sexting kommt ursprünglich aus dem anglo-amerikanischen Raum und setzt sich aus den beiden Wörtern „Sex“ und „Texting“ zusammen. Es handelt sich um erotische Aufnahmen, die zwischen zwei Personen zur sexuellen Erregung verschickt oder gezeigt werden. Die sogenannten „Sexts“ sind im Privaten selbst produziert und können von aufreizenden Posen bis hin zu Nacktheit reichen. Es gibt keine allgemein gültige Definition von Sexting, aber grundsätzlich gilt: Die Aufnahmen müssen im gegenseitigen Einvernehmen entstanden sein.

Sexting wird oft negativ gesehen. Warum?

Sexting ist eine Ausdrucksform von Sexualität und per se nichts Verwerfliches. Wurden vor einigen Jahren Fotos mit einer Kamera gemacht, ausgedruckt und weitergereicht, werden sie heute eben über digitale Medien verschickt. An sich nichts Neues, Sexting ist gewissermaßen „erotisches Flirten 2.0“. Sexting beruht auf gegenseitigem Einvernehmen. Das grenzt es ganz klar von Phänomen wie Cybergrooming oder Sextortion ab, beide Formen digitaler sexualisierter Gewalt. Insbesondere im Gespräch mit Jugendlichen müssen wir hier Klarheit schaffen, die Phänomene differenziert betrachten und auch rechtlich voneinander abgrenzen.

Apropos rechtlich, ist Sexting unter Jugendlichen überhaupt erlaubt?

Ja, aber mit Einschränkungen. Der Paragraf 207a des Strafgesetzbuchs besagt: Sexting unter Jugendlichen, die mindestens 14 Jahre alt, aber noch nicht volljähring sind, ist erlaubt, sofern es einvernehmlich geschieht. Dann dürfen Bilder gemacht, untereinander verschickt und auch auf dem eigenen Smartphone gespeichert werden. Sind die Personen jünger als 14 Jahre, sind solche Aufnahmen und auch das Verschicken sowie Speichern verboten. Dass Sexting ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurde, zeigt, wie heikel das Thema ist, insbesondere vor dem Hintergrund der schon erwähnten Phänomene Cybergrooming und Sextortion.

Wo liegt denn das Problem, wann hört der „Spaß“ auf?

Bevor ich auf Probleme eingehe, möchte ich nochmal betonen, dass wir Erwachsenen – Pädagog*innen wie auch Eltern - Sexting nicht dramatisieren sollten. Sexting kann für Jugendliche einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der eigenen Sexualität und zur Identitätsbildung leisten. Es ist mir sehr wichtig, das nochmal festzuhalten. Sexting ist zeitgemäß, wenn auch risikobehaftet. Zum Problem wird es, wenn es zum Sextingmissbrauch kommt. Wenn Sexts also beispielsweise entgegen der vorherigen Absprache weitergeleitet werden, möglicherweise nach dem Ende einer Beziehung, wenn es verletzte Gefühle gibt und man sich am Partner oder der Partnerin rächen möchte. Das wird „revenge porn“, Racheporno, genannt. Oder wenn die Bilder im Freundeskreis zum Prahlen gezeigt werden, nach dem Motto „Guck mal, was ich für eine heiße Freundin habe!“. Dann kann das Material als Verbreitung von Pornografie beziehungsweise Jugendpornografie einstuft werden, was rechtlich nochmal eine ganz andere Nummer ist.

Im Zuge der ungewollten Verbreitung von Sexts wird auch von „Sharegewaltigung“ gesprochen. Was bedeutet das?

Auch dieser Begriff setzt sich aus zwei Wörtern zusammen – share, dem englischen Wort für teilen, und Gewalt beziehungsweise Vergewaltigung. Werden Sexts geteilt, handelt es sich um einen sexualisierten Gewaltvorfall. Auch wird von einer „geteilten Gewalt“ gesprochen, die nicht nur von der Person ausgeübt wird, die das Material geteilt hat, sondern auch von den Personen, die es gesehen haben – von Peer Groups oder Mitgliedern aus WhatsApp-Gruppen bis hin zum „ganzen Internet“, wenn etwas in sozialen Medien gepostet wird. Dies kann auch ein dauerhafter Gewaltakt sein, der länger anhält – solange die Bilder eben im Umlauf sind.

Wie können die Opfer unterstützt werden?

Bei einem solchen Vorfall sind insbesondere Eltern beziehungsweise Bezugspersonen, aber auch zuständige pädagogische Fachkräfte gefragt, die betroffenen Jugendlichen zu schützen und Position zu beziehen. Wichtig ist, kein Victim Blaming zu betreiben, im Sinne: „Du bist doch selber schuld, warum machst du auch so was!“ Die Person, die die Bilder verbreitet hat, trägt die alleinige Schuld.

Haben sie Tipps zur Risikovermeidung?

Es gibt Tipps zum „Safer Sexting“. Bei der Gestaltung der Sexts rate ich zu „Weniger ist mehr“! Ein Foto kann auch erotisch wirken, wenn nicht alle Körperteile nackt zu sehen sind und der Phantasie mehr Raum gegeben wird. Auch sollte das Gesicht nicht erkennbar sein. Die Empfänger*innen gilt es mit Bedacht auszuwählen. Dazu gehören Personen, die man kennt, bei denen es schon eine Vertrauensbasis gibt, und eben nicht Fremde – wie es oft beim Cybergrooming der Fall ist. Außerdem sollten Sexts immer nur freiwillig verschickt werden und nicht, weil das von einer Person eingefordert wird. Es ist auch ratsam, Bilder nicht zu verschicken, sondern dem Partner beziehungsweise der Partnerin auf dem eigenen Smartphone zu zeigen und so nichts aus der Hand zu geben. Es ist zudem wichtig, die Bilder wieder zu löschen. Die Geräte können ja auch mal irgendwo ungeschützt rumliegen oder gestohlen werden. Und ganz allgemein gilt es, wie eingangs auch schon erwähnt, immer die Gesetzeslage im Blick zu haben. Sich also sicher zu sein, dass das, was ich da tue, rechtens ist. Und zu wissen, dass anderenfalls rechtliche Konsequenzen drohen können.

Was raten Sie Eltern beim Umgang mit dem Thema Sexting?

Ich empfehle Eltern, sich mit dem Thema zu beschäftigen und eine eigene Haltung zu entwickeln. Sich ehrlich zu fragen: Wie stehe ich als Elternteil zu dem Thema? Und sich dann zu positionieren. Ganz allgemein rate ich Eltern immer, in Vertrauensbeziehungen zu investieren - ein ganz großes grundsätzliches Thema bei der Medienerziehung. Dem eigenen Kind also klar zur Seite zu stehen, wenn beispielsweise Sexting doch mal schiefgegangen ist. Hier ist es wichtig, Entscheidungen nicht über den Kopf des Kindes hinweg zu treffen. Es erlebt gerade sowieso schon einen absoluten Kontrollverlust, wenn das eigene Bild oder Video die Runde macht. Die nächsten Schritte sollten gemeinsam mit dem Kind entschieden werden und hängen vom individuellen Fall ab.

Uns allen sollte klar sein: Jugendliche haben ein Recht auf Sexting – unabhängig davon, was wir Erwachsenen davon halten. Sie haben aber auch das Recht auf die nötige Medienbildung- und Kritik, die es braucht, um mit den bestehenden Risiken verantwortungsvoll umzugehen. Das Fördern eben dieser Medienkompetenz ist unsere Aufgabe als Elternteil, Bezugsperson, oder pädagogische Fachkraft.


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Kampagne "Safer Sexting" der Landesanstalt für Medien NRW (LfM)

Mit einer Plakataktion und auf dem Portal safer-sexting.de klärt die LfM auf, was für ein sicheres Sexting zu beachten gilt. Die Kampagne sensibilisiert Jugendliche für den Umgang mit intimen Bildern Dritter und den teilweise fließenden Übergang zur Kinder- und Jugendpornografie. Für Fälle, in denen Fotos ungewollt in Umlauf geraten sind oder man unerwünscht Nacktbilder erhält, bietet die Seite ebenfalls Hilfsangebote.

Lehrkräfte und pädagogisches Fachpersonal finden zudem umfangreiches Material, das sie im Unterricht und der Jugendarbeit nutzen können.