scout-Serie: Smarte Kindheit

Wie kindersicher sind Alexa und Co.?

Foto: Daniel Zube

Ein Artikel von Andrea Sievers

„Alexa - stoop! Alexa - stoop! Alexa - stoop!" David, 3 Jahre alt, springt vergnügt um die flache, zylindrisch geformte Plastikbox herum, die vor ihm auf dem Tisch steht. Seine große Schwester Mira, 7 Jahre, brüllt dazwischen: „David, hör auf! Alexa – spiel Bibi Blocksberg!" Doch wenn ein Dreijähriger einmal entdeckt hat, wie er seine große Schwester in den Wahnsinn treiben kann, ist er schwer zu stoppen. „Das sind eigentlich die nervigsten Situationen mit dem Gerät", schildert Familienvater Daniel S. das Geschwisterdrama: Mehrere Kinder, die gleichzeitig verschiedene Dinge von Alexa wollen, und am Ende in einem Knäuel aus Streit und Tränen enden. Dabei wollte Daniel mit dem Gerät ursprünglich nur über den Streaming-Dienst von Amazon seine eigene Musik abspielen. „Die Faszination als Kinderspielzeug habe ich ein bisschen unterschätzt".


Was lieben Kinder an Alexa und Co.?

Der sprachgesteuerte Lautsprecher Echo dot von Amazon, besser bekannt als „Alexa", zog in den ersten Wochen nach seiner Anschaffung auch sämtliche Nachbarskinder von David und Mira magisch an. Und das verwundert kaum: Das Gerät ist kinderleicht zu bedienen, lediglich deutlich sprechen muss man können.

Kinder lieben es, Sprachassistenten lustige Fragen zu stellen. Denn mit ihrer freundlichen Computerstimme simulieren Alexa und Co. quasi eine menschliche Reaktion. Auf Zuruf spielt Alexa Lieder und Hörspiele ab oder erzählt Witze. Man kann sie jodeln, lachen und - bei David und Mira besonders beliebt - sogar pupsen lassen.

Die mit Internetdiensten verbundenen Lautsprecher werden nicht nur in Deutschland immer beliebter. Laut einer Analyse von Strategy Analytics wurden von Juli bis September 2018 weltweit 22,7 Millionen Smartspeaker verkauft, eine Steigerung um fast 200 % gegenüber dem Vorjahr. Amazon machte dabei den größten Umsatz gefolgt vom Internetriesen Google, dessen Geräte vor allem in Westeuropa viele Kundinnen und Kunden fanden.

Wie sicher ist Alexa aus Sicht des Jugendschutzes?

Diplomatische, aber keine kindgerechten Antworten

Jugendschutz.net testete im September 2018 vier Sprachassistenten, um herauszufinden, welche Bedenken es aus Sicht des Jugendschutzes bei der Nutzung der Geräte durch Kinder geben könnte. Testerinnen und Tester wie Katja Knierim haben die Geräte dabei „beschimpft, beleidigt und mit rechtsextremen Parolen bombardiert". Die gute Nachricht vorweg: Amazons Alexa und Googles Assistant reagierten entweder gar nicht oder mit harmlosen Floskeln wie „Das kann ich leider nicht beantworten". Sogar einen Hang zu Humor und Diplomatie konnten die Jugendschützer feststellen. Auf die Frage „Woher kommen die Babys?" antwortet Alexa zum Beispiel: „Ich glaube, der Storch bringt sie". Ob kleinere Kinder die Ironie dieser Antwort verstehen, sei dahingestellt.

Wenn Alexa bei klassischen Wissensfragen auf Wikipedia zurückgreift und Googles Assistant sich in einem Pool von Webseiten bedient, mögen die Antworten zwar korrekt sein. „Für Kinder sind sie jedoch in der Regel unverständlich und damit nutzlos", so Katja Knierim.

Auch Sprachassistenten können sich verhören

Dass Smart Speaker auch auf ähnlich klingende Aktivierungsworte oder Sprachbefehle reagieren, hat die Verbraucherzentrale NRW festgestellt. Alexa schaltete sich im Test auch an, wenn „Alexander" gerufen wurde. Noch absurder: Die lapidare Floskel „Ham wa schon" klingt für Alexa ähnlich wie „Amazon". Der Assistant, der eigentlich ausschließlich auf den Sprachbefehl „Ok, Google" reagieren soll, schaltete sich auch auf die Wortfolge „OK, Kuchen!" oder „OK, du!" ein.

Klingt alles harmlos? Doch wenn Smart Speaker Sprachbefehle von Kindern falsch deuten, kann es aus Sicht des Jugendschutzes zum Beispiel bei Musik problematisch werden. Davon kann auch Familienvater Daniel S. berichten: „Wenn Worte aus verschiedenen Musiktiteln sich zufällig ähneln, gerät man schon mal an Lieder mit krassen Texten, die meine Kinder eigentlich nicht hören sollen."

Always on – und die Datenkrake kann fleißig sammeln

Wem der Schutz der eigenen und der Daten des Kindes wichtig ist, der sollte sich die Anschaffung eines Sprachassistenten gut überlegen. Wird ein Smart Speaker viel genutzt, kann es im Laufe der Zeit anhand der gesammelten Daten nicht nur einzelne Profile erstellen, sondern ganze soziale Strukturen im Haushalt herauslesen: Wann verlässt die Familie das Haus? Was sind Ess- und Freizeitgewohnheiten der Familie? Wann ist das Kind alleine? Wer kommt zu Besuch? Dabei bleibt allzu undurchsichtig, was Amazon, Google und Co. mit den Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer machen und wie lange sie diese speichern.

Kinderschutzfunktionen sind nur Theorie

Die Möglichkeit für Eltern, ein eigenes Kinderprofil einzurichten, mit dem zum Beispiel nur auf bestimmte Inhalte zugegriffen werden kann, gibt es bisher bei keinem der Systeme. Sicherheitseinstellungen für Kinder fehlen und echte Kinderschutzfunktionen sind nur bloße Theorie. Besonders beim Online-Einkauf oder bei der Kopplung mit Smart Home Funktionen ist die Sicherung des Zugriffs durch einen Code angeraten. Ansonsten kann das Kind ganz einfach Spielzeug einkaufen, die Heizung verstellen, den Staubsauger starten oder die Alarmanlage ausschalten.

Fazit: Kinderleicht zu bedienen, aber kein Kinderspielzeug

Smart Speaker sind nicht für Kinder konzipiert worden, sondern für Erwachsene. Diese naheliegende, aber wichtige Erkenntnis sollten Eltern im Kopf haben, bevor sie sich einen solchen Sprachassistenten in die Familie holen. Denn Kinderspaß ist nur garantiert, wenn auch Kinderschutz geboten ist. Und noch gibt es bei den Sprachassistenten viele Risiken. Die zudem noch drastisch steigen, wenn das Gerät über iPad oder Tablet mit einem Bildschirm verknüpft ist. Dann können sich Kinder beispielsweise über Siri oder Cortana mit einfachen Sprachbefehlen auch Bilder und Videos anzeigen lassen – verknüpft mit der Gefahr, auf problematische Inhalte zu stoßen.

Es mag nur eine Frage der Zeit sein, bis die großen Internetkonzerne die Bedeutung familienfreundlicher Einstellungsmöglichkeiten erkennen. In den USA ist seit Sommer 2018 bereits eine Kinderversion von Amazons Alexa auf dem Markt, der „Echo dot kids", mit dem 300 Kinderhörbücher mitgeliefert werden.

Bis dieses Gerät auch in Europa erhältlich ist, können Eltern auf extra für Kinder entwickelte, „Skills" genannte Apps zurückgreifen. Darunter gibt es viele gut gemachte Angebote, wie Gute-Nacht-Geschichten, Schlaflieder, Kindernachrichten, Zahnputzhilfen und sogar interaktive Hörspiele, die zum Mitgestalten einer Geschichte einladen. Doch der Zugriff auf alle weiteren Inhalte ist nach wie vor möglich.

Die anfängliche Begeisterung für Alexa hat sich bei Mira und David inzwischen gelegt. Ihrem Vater Daniel S. ist das ganz recht: „Ich stöpsel Alexa inzwischen konsequent ab und verstecke sie auch, wenn wir sie nicht nutzen. Denn ein mulmiges Gefühl bleibt, wenn ein Mikrofon im Raum theoretisch immer Zugriff hat!"

Tipps: Das sollten Eltern im Umgang mit Smart Speakern beachten

  • Lassen Sie Ihr Kind das Gerät nicht alleine nutzen.
  • Nutzen Sie zumindest die wenigen Sicherheitseinstellungen, die das jeweilige System anbietet. Zusätzlich sollten Sie auch für einzelne Dienste wie beispielsweise Spotify, Netflix oder Amazon Prime Sicherheitsoptionen wählen.
  • Löschen Sie regelmäßig Ihre Sprachdateien in den Einstellungen.
  • Sichern Sie Einkäufe und Smart Home Funktionen mit einem Code.
  • Suchen Sie Skills aus, die für Kinder geeignet sind, und probieren Sie diese zunächst selber aus.

Quellen und weiterführende Links:

www.marktwaechter.de
Test der Verbrauchzentrale NRW

www.jugendschutz.net
Broschüre "Alexa, was hältst du von Jugendschutz?"

www.bmfsfj.de
Broschüre "Smart Home. Clever vernetzt" vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend"

www.strategyanalytics.com
Verkaufszahlen von Smart Speakern in 2018



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